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Geraubte Erinnerung

Geraubte Erinnerung

Titel: Geraubte Erinnerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Iles
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– wir hatten nahezu achtzehn Stunden geschlafen. Ich griff nach dem Telefon neben dem Bett und wählte die Nummer der Lobby. Ich bat um einen Wagen und einen Englisch sprechenden Fahrer für den Rest des Nachmittags. Der Preis betrug einhundertdreißig Schekel, wie viel auch immer das sein mochte. Rachel rührte sich beim Klang meiner Stimme, wurde aber nicht wach.
    Vielleicht sollte ich alleine gehen, dachte ich, während ich sie ansah. Dann sah ich ein Bild vor mir, wie ich mitten auf der Straße einen narkoleptischen Anfall erlitt und zusammenbrach. Das durfte ich nicht riskieren. Ich ging ins Badezimmer und unter die Dusche.
    Israel war ganz anders als in meinen Träumen. Von dem Augenblick an, als wir den Ben Gurion Airport in Tel Aviv betreten hatten, waren wir auf allen Seiten von Modernität umgeben. Funkgeräte, Metalldetektoren, Maschinenpistolen, der Geruch nach Kerosin. Wir nahmen ein sherut von Tel Aviv nach Jerusalem, einen gemieteten Kleinbus, in dem außer uns sechs weitere Leute mitfuhren. Ich schwieg während des größten Teils der Fahrt, und Rachel drückte mir gelegentlich die Hand, um mich zu beruhigen. Sie konnte sehen, dass ich desorientiert war, dass die Szenerie draußen vor den Scheiben des Wagens nicht das war, was ich vorzufinden erwartet hatte.
    Doch als wir uns Jerusalem näherten, erblickte ich zum ersten Mal die alte Stadt auf ihrem Hügel, ursprünglich und in Sonnenlicht getaucht, und meine Enttäuschung verging. Was immer zu finden ich gekommen war, es erwartete mich hinter jenen uralten Mauern.
    Als wir unser Hotel erreichten, war es draußen fast dunkel geworden. Wir nannten dem Rezeptionisten hinter seinem Tresen die Nummern unserer Pässe und folgten einem Pagen, der unsere Koffer trug, nach oben in den sechsten Stock. Das Zimmer war sauber, aber klein. Wir hatten vorgehabt, zum Essenauszugehen, doch als wir endlich auf dem Bett saßen, bis wir wieder zu Atem gekommen waren, holten uns Jetlag und der Stress der vergangenen beiden Tage ein. Rachel hatte während des Fluges ein wenig geschlafen, doch ich war wach geblieben. Die Wärme und Stille des Hotels wirkten wie ein Narkotikum in meinen Adern. Ich aß eine Orange, die Rachel auf dem Ben Gurion Airport gekauft hatte, und fiel in einen tiefen, traumlosen Schlaf. Erst der Traum von dem Garten hatte mich hochschrecken lassen.
    Ich drehte die Dusche ab, nahm ein Handtuch, frottierte mich trocken und kehrte in das Zimmer zurück. Rachel hatte sich auf den Bauch gerollt. Ihre nackten Schultern waren noch immer zu sehen. Ich ging zum Fenster und zog den Vorhang zurück in der Hoffnung, die Altstadt zu sehen, doch eine Reihe unscheinbarer hoher Gebäude verwehrte die Aussicht.
    Ich ging zum Bett zurück und berührte Rachel an der Schulter. Sie reagierte nicht. Ich schüttelte sie erneut. Sie blinzelte mehrmals, dann streckte sie sich und stemmte sich auf einen Ellbogen.
    »Geht die Uhr richtig?«, fragte sie.
    »Ja. Ich habe uns einen Wagen bestellt.«
    Die Aussicht schien sie wenig zu ermuntern. »Willst du immer noch heute fahren? Es ist schon spät.«
    »Ich hatte einen neuen Traum.«
    »Worüber?«
    »Den Garten Gethsemane.«
    Sie legte sich auf den Rücken und starrte an die Decke. »Das ist ein ganzes Stück weiter in der Chronologie als vorher, nicht wahr?«
    »Ja. Gethsemane ist der Ort, an dem der Countdown für die Kreuzigung beginnt. Ich muss in die Altstadt. Ich kann nicht bis morgen damit warten.«
    Sie zog das Laken um sich herum; dann stand sie auf und sah mir in die Augen. »Ich glaube, wir sollten bis morgen warten.«
    »Warum?«
    »Weil wir in diesem Zimmer in Sicherheit sind. Es ist ein Wunder, dass wir es bis hierher geschafft haben, und ich denke, wir sollten uns ein wenig Zeit zur Erholung nehmen, bevor wir weiterziehen.«
    »Aber mein Traum …«
    Sie nahm meine Hand und drückte sie. »Dir wird nichts geschehen, David. Nicht einmal dann, wenn du von der Kreuzigung träumst. Ich bin hier bei dir, und ich weiß, wie ich auf dich aufzupassen habe.«
    Sie streckte auch die andere Hand nach mir aus, und das Laken glitt an ihr herab. Ich versuchte, meine Blicke nicht wandern zu lassen, doch sie hatte es darauf angelegt.
    »Rachel, ich muss heute noch gehen.«
    »Wir können ja gehen. Nur nicht jetzt gleich.« Sie legte den Kopf an meine Brust und schlang die Arme um mich. »Die Welt geht nicht unter, wenn wir uns ein paar Minuten für uns nehmen.«
    Sie küsste meine Brust; dann drückte sie das Gesicht in

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