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Geraubte Erinnerung

Geraubte Erinnerung

Titel: Geraubte Erinnerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Iles
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war nun ein wenig zu Ravis Gunsten verschoben, wenn auch nur ein geringes Stück. Trotzdem erschien ihm das Vermögen in Bargeld und Aktien, das er von Godin erhalten hatte, nahezu trivial angesichts dessen, was vielleicht geschehen würde.
    »Ravi?«, krächzte der alte Mann. »Sind Sie das?«
    Ravi blickte von der Krankenkarte auf und stellte fest, dass die leuchtend blauen Augen Godins auf ihn gerichtet waren.
    »Warum bin ich so müde?«, wollte Godin wissen.
    »Wahrscheinlich wegen Ihrer Anfälle«, erwiderte Ravi. Godin litt noch immer unter den epileptischen Anfällen, die seit dem Super-MRI-Scan aufgetreten waren.
    Ravi umrundete das Krankenbett und blickte auf das schlaffe Gesicht herab. Peter Godin war einer der vitalsten Männer gewesen, die Ravi jemals getroffen hatte, und doch hatte der Krebs ihn niedergeworfen wie einen mittellosen Bettler auf der Straße. Nun ja … nicht ganz vielleicht. Kein Straßenbettler hatte Ravi Nara und die nahezu unerschöpflichen Mittel an Geld und Personal, um sich am Leben zu halten. Selbst so dicht vor dem Tod, nach dem Verlust sämtlicher Haare und der Augenbrauen, besaß Godin noch jenes hakennasige Profil, das den besessenen jungen Computerspezialisten in den späten Fünfzigerjahren und in den fünf darauf folgenden Dekaden so leicht erkennbar gemacht hatte.
    »Ihr Tumor ist sehr weit fortgeschritten, Peter. Ich kann nicht mehr allzu viel tun. Es ist ein Kampf, bei dem es darum geht,Sie bei Bewusstsein zu halten und frei genug von Schmerzen, damit Sie denken können.«
    »Verdammte Schmerzen!«, schnaufte Godin und ballte eine arthritische Faust. »Ich kann Schmerzen ertragen, glauben Sie mir.«
    »Gestern Abend haben Sie aber etwas anderes gesagt. Gestern Abend haben Sie mir gesagt, Ihr Gesicht würde sich anfühlen, als würde es brennen.«
    Godin erschauerte. »Jetzt bin ich jedenfalls bei Bewusstsein. Schicken Sie mir Levin herein.«
    Zach Levin hatte die Forschungsabteilung von Godin Supercomputing in Mountain View geleitet, bevor er nach North Carolina geschickt worden war, um das Interfaceteam zu übernehmen, die Gruppe von Ingenieuren, die verantwortlich war für die Kommunikation mit dem Trinity-Computer. Levin war ein großer, zombiehafter Mann von fünfunddreißig Jahren und vorzeitig ergraut. Wie sein Meister in seinen gesünderen Tagen schien Levin niemals zu schlafen.
    »Ich schicke ihn rein«, sagte Ravi.
    Godin hob eine Hand. »Haben Sie etwas Neues über Tennant und Weiss gehört?«
    »Keine Spur mehr von den beiden seit Union Station.«
    Der alte Mann schloss die Augen und seufzte rasselnd, ein erster Hinweis auf das, was in naher Zukunft sein würde. »Die Frau, die auf Geli geschossen hat?«
    »Es heißt, sie wäre Dr. Weiss, ja.«
    Godin verzog das Gesicht, und die untere Hälfte verwandelte sich in ein Gewirr aus Linien. Obwohl Godin den größten Teil seines Lebens mit einer einzigen Frau verheiratet gewesen war, hatten sie keine Kinder gehabt, und er hatte von Anfang an eine beinahe väterliche Zuneigung für Geli Bauer an den Tag gelegt. Der Gedanke ließ Ravi einen Schauer über den Rücken laufen; es war, als hätte man väterliche Gefühle für eine Kobra.
    »Wie geht es Geli?«, erkundigte sich Godin.
    »Sie erholt sich bemerkenswert schnell, wie ich gehört habe.Man hat sie ins Walter Reed überstellt. Gelis Vater hat sich persönlich darum gekümmert.«
    Über Godins Gesicht huschte die Andeutung eines Lächelns. »Wenn sie vorher gewusst hätte, was sie dort erwartet, wäre Geli bestimmt nicht nach Washington geflogen.« Das Lächeln erlosch. »Was hat Tennant Ihrer Meinung nach in Washington zu erreichen versucht? Der Präsident ist immer noch in China.«
    Ravi wünschte, er hätte eine Antwort gewusst. Der vom Präsidenten bestellte Internist war die meiste Zeit über Ravis größtes Problem gewesen. Krebs vor einem Laien zu verbergen war nicht weiter schwer, doch Tennant hatte einen untrüglichen Blick für Godins Gewichtsschwankungen, seinen sich ständig verändernden Gang und all die körperlichen Veränderungen, die von den Steroiden hervorgerufen wurden. Die rheumatische Arthritis des alten Mannes mochte einen Teil dieser Symptome erklären, doch während der letzten sechs Wochen hatte Ravi sich gezwungen gesehen, Godin praktisch von Tennant zu isolieren.
    »Ich weiß es nicht, Peter«, antwortete er. »Es macht mir Sorgen.«
    Ein Pfleger reichte Godin einen Schluck Wasser in einem Becher, und Ravi versuchte die Zeit

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