Geraubte Erinnerung
ob es stimmte. Sie hatten strenge Vorkehrungen gegen Sabotage getroffen. Niemand konnte unbemerkt auf physischem Weg Daten in das Gebäude oder heraus schmuggeln. Was elektronischen Diebstahl anging, stellten Skows NSA-Techniker sicher, dass nicht ein einziges Elektron das Gebäude verließ, ohne dass sie es vorher inspiziert und ihre Genehmigung erteilt hatten.
Warum also hatte Fielding sterben müssen? Sechs Wochen zuvor hatten er und Tennant dafür gesorgt, dass das Projektzunächst auf Eis gelegt worden war, indem sie medizinische und ethische Bedenken angemeldet hatten. Falls dies das Motiv war, warum hatte man so lange gewartet, bis Fielding ausgeschaltet worden war? Und warum Fielding alleine? Peter Godin war fast verzweifelt gewesen, als er Geli am Abend zuvor besucht hatte. Und sie hatte Godin noch nie vorher in diesem Zustand gesehen. War er so besorgt, das Projekt endlich weiterführen zu können? Sie wusste wenig über die technischen Aspekte der Trinity-Forschung, doch sie wusste, dass der Erfolg noch eine ganze Weile auf sich warten lassen würde. Sie konnte es in den Gesichtern der Wissenschaftler und Ingenieure sehen, die Tag für Tag zur Arbeit kamen.
Project Trinity hatte zum Ziel, einen Supercomputer zu bauen – oder es zu versuchen. Keinen konventionellen Supercomputer wie einen Cray oder einen Godin, sondern einen Computer, der für künstliche Intelligenz bestimmt war. Eine selbstständig denkende Maschine. Geli wusste nicht, was den Bau dieses theoretischen Computers so schwierig machte, doch Peter Godin hatte ihr ein wenig vom Ursprung des Projekts erzählt.
Im Jahre 1994 hatten Wissenschaftler die Theorie entwickelt, dass ein nahezu unendlich mächtiger kodebrechender Computer gebaut werden könnte, indem man die Prinzipien der Quantenphysik zur Anwendung brachte. Geli wusste nichts über Quantenphysik, doch sie hatte genug wissenschaftliche Artikel gelesen, um zu begreifen, warum ein Quantencomputer revolutionär wäre. Moderne digitale Verschlüsselung – das System, das Banken, Gesellschaften und nationale Regierungen benutzten – basierte auf der Primzahlzerlegung. Konventionelle Supercomputer wie die, die von der NSA eingesetzt wurden, knackten diese Kodes, indem sie eine Primzahl nach der anderen durchprobierten. Es war, als würden sie unendlich viele Schlüssel in einem Schloss testen. Einen Kode auf diese Weise zu knacken dauerte Hunderte von Stunden. Ein Quantencomputer hingegen konnte – theoretisch zumindest – sämtliche Schlüssel simultan ausprobieren. Die falschen Schlüssel würden sich gegenseitigkompensieren, und allein der richtige würde übrig bleiben, um den Kode zu brechen. Dieser Prozess würde keine Stunden, nicht einmal Minuten in Anspruch nehmen. Ein Quantencomputer konnte digitale Kodes in Echtzeit knacken. Ein solches Gerät würde heutige Verschlüsselungsmethoden praktisch obsolet machen und dem Land, das diesen Computer besaß, einen gewaltigen strategischen Vorteil gegenüber jeder anderen Nation in der Welt verschaffen.
Angesichts des potenziellen Wertes eines derartigen Computers hatte die NSA ein hochgeheimes Projekt ins Leben gerufen, um einen Quantencomputer zu entwerfen und zu bauen. Das Projekt mit dem Namen Spooky – nach Albert Einsteins Bezeichnung für das Verhalten gewisser Quanten, »spooky action at a distance«, geisterhafte Fernwirkung – wurde der Leitung von John Skow unterstellt, dem Direktor des NSA Supercomputer Research Center. Nach sieben Jahren Forschung und sechshundert Millionen ausgegebener schwarzer Dollar hatte Skows Team noch keinen Prototypen entwickelt, der von der Rechenleistung mit einem Palm Pilot vergleichbar gewesen wäre.
Wahrscheinlich war Skow nur noch Tage von seiner Eliminierung entfernt gewesen, als er einen Anruf von Peter Godin erhalten hatte, der seit vielen Jahren Supercomputer für die NSA lieferte. Godin schlug ein Gerät vor, das genauso revolutionär war wie ein Quantencomputer, doch mit einer Eigenschaft, der die Regierung unmöglich widerstehen konnte: Es konnte gebaut werden, indem man optimierte gegenwärtige Technologien einsetzte. Mehr noch, nach einer Unterhaltung mit Andrew Fielding, dem Quantenphysiker, den Godin bereits zur Arbeit an dieser Maschine hatte verpflichten können, war Godin der festen Meinung, dieser Computer hätte mit hoher Wahrscheinlichkeit Quantenfähigkeiten.
Indem er diese Trauben vorm Mund des Präsidenten baumeln ließ, hatte Godin fast jedes Zugeständnis
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