Geraubte Erinnerung
in Tennants Haus. Sie sind drin, aber ich höre nichts. Nur schwache Echos wie von Mikrofonen in anderen Zimmern.«
»Mist.« Geli leitete das Signal aus den Mikrofonen in Fieldings Haus auf ihren Kopfhörer. Nichts als Stille. »Irgendetwas geht da vor«, murmelte sie. »Was haben Sie bei sich?«
»Ein Parabolmikro, aber es nutzt nichts bei Wänden und ist nahezu wirkungslos durch das Fenster. Ich brauche die Laserausrüstung.«
»In Ordnung.« Geli ging im Geiste ihre Ressourcen durch. »Ich lasse alles vorbeibringen. Sie haben das Zeug in zwölf Minuten.«
»In zwölf Minuten könnten sie schon wieder weg sein«, sagte Corelli.
»Was ist mit Nachtsicht?«
»Ich hatte nicht mit taktischen Methoden gerechnet.«
Verdammt! »Ist alles unterwegs. Überprüfen Sie Tennants Wagen, ob der FedEx-Umschlag drin liegt. Und geben Sie mir die Adresse, wo Sie parken.«
Geli schrieb die Adresse auf; dann drückte sie einen Knopf, der ein Signal in einem Raum im hinteren Teil des Gebäudes auslöste. Der Raum war mit Betten ausgestattet für die Zeiten, in denen Gelis Team rund um die Uhr arbeiten musste. Dreißig Sekunden später kam ein großer Mann mit langen blonden Haaren und verschlafenen Augen in Gelis Kontrollzentrum.
»Was gibt’s?«, fragte er.
»Wir gehen auf Alarm«, sagte Geli und deutete auf die Kaffeemaschine an der Wand. »Trink einen Kaffee.«
Kurt Bock war Deutscher und das einzige Mitglied in Gelis Team, das von Peter Godin persönlich ausgesucht worden war. Bock war ehemaliger Angehöriger der GSG-9 und hatte für eineprivate Elite-Sicherheitsfirma gearbeitet, die Godins Leibwächter während einer Reise durch Europa und den Fernen Osten gestellt hatte. Nachdem der ehemalige GSG-9-Mann den Versuch einer Entführung des Milliardärs vereitelt hatte, war er von Godin auf Dauer eingestellt worden. Rücksichtslos, mit eisernen Nerven und geschickt auf Gebieten, die weit über seine ursprüngliche Ausbildung als Anti-Terror-Spezialist hinausgingen, hatte der neunundzwanzigjährige Bock sich rasch als Gelis bester Mann erwiesen. Und da Geli einen Teil ihrer Kindheit in Deutschland verbracht hatte, gab es auch keine Sprachschwierigkeiten.
Kurt Bock trank aus einem dampfenden Becher Kaffee und blickte Geli über den Rand hinweg an. Er besaß die gleichen grauen, kalten Augen wie die Jungs, die sie als Teenager anziehend gefunden hatte, damals, als ihr Vater in Deutschland stationiert gewesen war.
»Du musst Corelli die Laserausrüstung bringen«, sagte Geli. »Er parkt in einer Auffahrt in der Nähe des UNC-Campus.«
Sie riss das oberste Blatt aus ihrem Notizblock und legte es neben sich auf den Schreibtisch.
Kurt schniefte und nickte. Er hasste Handlangerjobs wie diesen, doch er beschwerte sich nie. Er erledigte die einfachen Arbeiten ohne Murren und wartete geduldig auf die Aufträge, für die er geboren war.
»Ist der Laser im Waffenraum?«, fragte er.
»Ja. Nimm außerdem vier Nachtsichtgeräte mit.«
Kurt leerte den Becher; dann nahm er das Blatt mit der Adresse vom Schreibtisch und verließ wortlos den Raum. Geli gefiel das. Amerikaner glaubten immer, sie müssten jedes Schweigen mit Worten füllen, als wäre Stille etwas, vor dem man sich fürchten muss. Kurt Bock verschwendete keine Energie, weder bei Unterhaltungen noch bei Aufträgen. Das machte ihn wertvoll. Manchmal arbeiteten sie zusammen, zu anderen Zeiten schlief sie mit ihm. Bis jetzt hatte es deswegen keine Probleme gegeben. So war es auch in der Army gewesen. Sie hatte sich ihrVergnügen genommen, wo sie es finden konnte. Genau wie in dem Internat in der Schweiz. Sicher, ein Risiko bestand dabei immer. Man musste imstande sein, mit aggressiven Männern – oder Frauen – umzugehen und mit den Auswirkungen, wenn man mit ihnen fertig war. Geli war beiden Anforderungen stets gewachsen gewesen.
»Corelli?«, fragte sie in ihr Headset. »Was hören Sie jetzt?«
»Immer noch nichts. Schwache Echos. Unverständliches Zeug.«
»Ich habe Alarm ausgelöst. Bock ist auf dem Weg zu Ihnen.«
Am anderen Ende herrschte Schweigen; nur statisches Prasseln war zu hören. Geli lächelte. Die anderen fühlten sich in Bocks Gegenwart unbehaglich. »Haben Sie gehört, Corelli?«
»Verstanden. Ich bin jetzt bei Tennants Wagen.«
»Was sehen Sie?«
»Keinen FedEx-Umschlag. Er hat ihn offensichtlich mit reingenommen.«
»Okay.«
»Was soll ich jetzt tun?«
»Gehen Sie zu Ihrem Wagen zurück und warten Sie auf Bock.«
»Verstanden.«
Geli
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