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Geraubte Erinnerung

Geraubte Erinnerung

Titel: Geraubte Erinnerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Iles
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glaubte Fielding, dass sie das Resultat von Quantenstörungen im Gehirn sind.«
    »Lächerlich!«, rief Nara. »Es gibt keinen Beweis, dass sich im menschlichen Gehirn Quantenprozesse abspielen. Einen solchen Beweis hat es nie gegeben und wird es nie geben!«
    »Dr. Nara, bitte«, sagte Skow.
    Ich bedachte den Neurologen mit einem verächtlichen Blick. »Sie haben sich Ihrer Sache nicht halb so sicher angehört, als Sie mit Fielding in einem Zimmer gesessen haben.«
    Nara funkelte mich wütend an.
    Skow lächelte geduldig. »David, sowohl Peter als auch ich denken, dass Sie und Ravi durchaus imstande sind, die medizinischen Anomalien weiter zu erforschen. Zu diesem Zeitpunkt des Projekts einen neuen Physiker einzustellen wäre ein unnötiges Sicherheitsrisiko.«
    Ich verzichtete darauf, zu argumentieren. Ich würde meine Kräfte für den Präsidenten aufsparen. »Wird man Fieldings Leichnam und seine persönliche Habe an seine Witwe übergeben?«
    Skow räusperte sich. »Wir sind gegenwärtig nicht imstande, Mrs Fielding zu erreichen. Aus diesem Grund werden Andrews sterbliche Überreste verbrannt, wie es in seinem schriftlichen Testament steht.«
    Zusammen mit jedem möglichen Beweis, dass es ein Mord gewesen ist, dachte ich. Es kostete mich Mühe, mir nichts anmerken zu lassen. Also war Lu Li entkommen. Andererseits – hätten sie etwas anderes gesagt, wenn sie Lu Li erwischt oder eliminiert hätten?
    Godin berührte Skow am Unterarm.
    »Möchten Sie etwas sagen, Peter?«, fragte Skow.
    Godin rieb sich den nahezu kahlen Schädel, der im Licht der Fluoreszenzlampen glänzte. Er saß dort wie jemand, der buddhaartig tief in sich selbst ruht; das Einzige, was sich bewegte, waren seine Augen. Peter Godin ergriff nur selten das Wort, doch wenn er es tat, hörte jeder ihm zu.
    »Jetzt ist nicht die Zeit, um über Trivialitäten zu reden«, begann er. »Wir haben gestern einen Giganten verloren. Andrew Fielding und ich waren über viele Dinge verschiedener Meinung, doch ich habe ihn mehr respektiert als jeden anderen Mann, mit dem ich jemals zusammengearbeitet habe.«
    Es gelang mir nicht, meine Überraschung gänzlich zu verbergen. Alle beugten sich auf ihren Plätzen vor, um kein Wort aus Godins Mund zu versäumen. Die hypnotischen blauen Augen blickten uns der Reihe nach an, bevor Godin fortfuhr. Er sprach leise, doch seine Stimme klang noch immer tief und kraftvoll.
    »Von Anbeginn der Geschichte an war der Krieg die treibende Kraft für die Wissenschaften. Wäre Fielding heute hier, würde er mir widersprechen. Er würde sagen, dass es die den Menschen innewohnende Neugier war, die unsere Wissenschaften immer weiter vorangetrieben hat. Doch das ist Wunschdenken. Es sind menschliche Konflikte, die die großen Sprünge in der Technologie verursacht haben. Eine bedauerliche Realität, doch ein rational denkender Mensch kann nicht umhin, sie zu sehen. Wir leben in einer Welt der Fakten, nicht der Philosophie. Philosophen stellen die Realität des Universums in Frage und sehen einen dann erschreckt an, wenn man sie mit einem Schuh schlägt und fragt, ob sie diese Realität gespürt haben.«
    Ravi Nara kicherte, doch Godin brachte ihn mit einem vernichtenden Blick zum Schweigen.
    »Andrew Fielding hat nicht zu dieser Sorte gehört.« Godin nickte in Richtung des Schwarzweißfotos an der Wand. »Er war wie Robert Oppenheimer, ein Mystiker. Doch in seinem Herzen war Andrew ein begnadeter Theoretiker mit einem großartigen praktischen Talent.«
    Godin klemmte sich ein dünnes Büschel weißer Haare hinters Ohr und blickte in die Runde. »Die Erschaffung neuer, stärkerer Waffen ist der unausweichliche erste Schritt der Nutzbarmachung neuer Erkenntnisse, und erst dieser Schritt bringt in Friedenszeiten zahllose segensreiche Dinge für die Menschen. Oppenheimers übermenschliche Anstrengungen, uns die Atombombe zu geben, beendeten den Zweiten Weltkrieg und schenkten der Welt schließlich sichere Atomenergie. Wir hier – wir fünf, die wir geblieben sind – stehen vor einer Aufgabe von kaum geringerer Bedeutung. Wir versuchen nicht, wie Fielding es manchmal genannt hat, uns den Mantel Gottes überzuziehen. Gott ist lediglich ein Teil des menschlichen Gehirns, ein evolutionärer Mechanismus, der uns hilft, unser Wissen um die eigene Sterblichkeit zu verkraften. Wenn es uns irgendwann gelingt, das erste Neuromodell in unseren Prototypen zu laden und mit ihm zu kommunizieren, werden wir uns mit diesem Teil des Gehirns

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