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Geraubte Erinnerung

Geraubte Erinnerung

Titel: Geraubte Erinnerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Iles
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Rauchwolke gehüllten Fielding durch den Kopf. Der Engländer hatte gequalmt wie ein Schlot, doch das Rauchen war überall im Trinity Complex streng verboten, selbst für die leitenden Wissenschaftler. Der Grund waren weder Gesetze oder Vorschriften, sondern Peter Godin, der den Geruch von Rauch in der Luft einfach nicht ertragen konnte. Erfindungsreich wie eh und je hatte Fielding einen Platz entdeckt, an dem er trotzdem seiner Angewohnheit nachgehen konnte. Im Materiallabor im vierten Stock gab es eine große Vakuumkammer, die in der frühen Phase des Projekts benutzt worden war, um die Eigenschaften von Nanoröhrchen zu testen, molekularen Röhrchen aus Kohlenstoffmolekülen. Es gab zwar Rauchdetektoren im Labor, jedoch nicht in der Vakuumkammer. Es war Fielding gelungen, so viele Kisten und Kartons vor der Kammer aufzustapeln, dass die meisten Leute die Existenz der kleinen Kammer glatt vergessen hatten. Wenn ich Fielding nirgendwo anders finden konnte, dann saß er hier und rauchte.
    Falls Fielding im Trinity Building um sein Leben gefürchtet hatte, so wurde mir bewusst, hätte er dann nicht versucht, den Kristall irgendwo zu verbergen? Und er würde ihn nicht in seinem Büro versteckt haben, das mit Sicherheit durchsucht würde. Doch die Vakuumkammer lag nur eine Etage tiefer, und Fielding konnte ziemlich sicher sein, dass ich irgendwann auf den Gedanken kam, sein informelles Sanctum sanctuorum zu durchsuchen.
    Ich verließ das Treppenhaus und ging den Gang hinunter zum Materiallabor. Zwei Ingenieure, die von Sun Microsystems rekrutiert worden waren, kamen aus dem Labor und trennten sich, um mich durch ihre Mitte zu lassen. Sie waren unterwegs zum Aufzug. Ich zwang mich zu einem Lächeln, bevor ich langsamer weiterging, sodass ich das Materiallabor erst erreichen würde, wenn sie bereits um die Ecke verschwunden waren.
    Das Labor war verlassen. Ich ging rasch zu dem Stapel von Kisten und Kartons, der die stählerne Vakuumkammer tarnte, und räumte die Tür frei. Das abscheuliche Gerät sah aus wie eine große Dekompressionskammer für Gerätetaucher, mit einem Bullaugenfenster und einem großen eisernen Handrad in der lukenartigen Tür. Ich drehte das Handrad, das die Tür entriegelte. Die Beleuchtung schaltete sich automatisch ein.
    Mein Herz hämmerte wild in meiner Brust, als ich die Kammer betrat. Ich erinnerte mich an breite Regale, übersät mit Werkzeugen, Klammern und alten Fetzen von Carbon. Doch jetzt war die Kammer leer. Selbst die Regale waren verschwunden. Der gesamte Raum sah aus, als wäre er mit einem Dampfreiniger sterilisiert worden.
    »Geli Bauer« , flüsterte ich.
    Falls Fieldings Taschenuhr hier drin versteckt gewesen war, dann hatte Geli Bauer sie nun. Ich verließ hastig die Kammer, halb in der Erwartung, dass sie mich draußen im Labor abfangen und zur Rede stellen würde. Doch das Labor war immer noch leer, genau wie der Gang davor. Ich schlüpfte ins Treppenhaus zurück, stieg hinunter in den dritten Stock und ging auf den Schalter der Sicherheitskontrolle zu, wo Henry mich erwartete.
    Beim Verlassen von Trinity musste man ebenfalls eine Durchsuchung über sich ergehen lassen, um zu beweisen, dass man keine Datenträger oder Papiere nach draußen schmuggelte. Wie Fielding innerlich jedes Mal gelacht haben musste, wenn Henry seine Taschenuhr mit dem Kristallknopf ignorierte. Als ich mich dem Schreibtisch näherte, erkannte ich, dass Henry in sein Kragenmikrofon sprach.
    »Was gibt’s, Henry?«, fragte ich und wartete darauf, dass er mich abtastete.
    »Einen Augenblick bitte, Doktor Tennant.«
    Mein Herzschlag beschleunigte sich. Ich stellte mir Geli Bauer vor, die Henry am anderen Ende der Leitung Befehle erteilte. Lassen Sie Tennant auf keinen Fall aus dem Gebäude …
    »Ich habe es wirklich eilig, Henry. Ich habe eine Verabredung«, sagte ich.
    Henry sah mich an; dann sprach er ins Mikrofon: »Er steht direkt vor mir …«
    Jesses! Geli musste fragen, wo ich war, und das bedeutete, dass sie nicht in ihrem Kontrollzentrum saß, wo sie mich über ihre Kameras beobachten konnte. Mein Kleinhirn drängte mich, die Beine in die Hand zu nehmen und davonzurennen, so schnell ich konnte, doch wie weit würde ich kommen? Der harmlos aussehende Henry war mit einer Neun-Millimeter-Automatik bewaffnet. Trotzdem kostete es mich fast übermenschliche Willensanstrengung, nicht einfach loszurennen.
    Henry lauschte der Stimme in seinem Ohrhörer einige Sekunden länger, während er mich verwirrt

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