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Geraubte Erinnerung

Geraubte Erinnerung

Titel: Geraubte Erinnerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Iles
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ordne. Bücher von klein nach groß, die Papiere aufgestapelt … ist ja auch egal.«
    »Sie sind zwanghaft. Obsessiv-kompulsiv.«
    Ihre dunklen Augen blitzten. »Es gibt schlimmere Dinge als OCD.«
    »Zugegeben. Sie sagten, meine Akte wäre verschwunden?«
    »Ja.«
    »Andere Patientenakten auch?«
    »Nein.«
    »Da sehen Sie. Ich verstehe allerdings nicht, warum sie meine Akte gestohlen haben. Warum nicht einfach fotokopieren? Ich bin sicher, sie haben die Akte bereits zu früheren Zeitpunkten gelesen. Wahrscheinlich jede Woche einmal.«
    Rachel blieb stehen und starrte mich ungläubig an. »Und wie haben sie das angestellt?«
    »Indem jemand sich in Ihre Praxis geschlichen hat. Wahrscheinlich jeweils in der Nacht nach unseren Sitzungen.«
    »Und warum ist mir vorher nie etwas aufgefallen?«
    »Vielleicht hatten sie es diesmal eilig.«
    »Warum?«
    »Sie haben Angst.«
    »Wovor?«
    »Vor mir. Vor dem, was ich tun kann. Was ich getan habe.«
    Sie setzte sich auf die Sofakante und dachte nach. »Sie müssen mir sagen, David, wer diese Leute sind. Sind sie von der NSA?«
    »Ja und nein. Sie sind die Sicherheitsleute von Project Trinity, und Project Trinity wird von der NSA finanziert.«
    »Und das sind die gleichen Leute, die Ihrer Meinung nach Andrew Fielding ermordet haben?«
    »Exakt.«
    Rachel schloss die Augen. »Ich habe einen Freund in der Medical gebeten, das weiße Pulver zu analysieren, das Sie mir mitgegeben haben. Es ist weder mit Anthrax noch mit sonst einembekannten Pathogen oder Gift kontaminiert.« Sie öffnete die Augen und sah mich direkt an. »Es ist Sand, David. Weißer Sand. Weiter nichts. Keinerlei Gefahr für irgendjemanden.«
    Meine Gedanken überschlugen sich, als ich überlegte, was das zu bedeuten hatte. Mikrochips wurden aus Sand hergestellt, aus Silizium. Weißer Sand bestand aus Kalzium. War Kalzium die Basis eines neuen Halbleiters, den Godin entwickelt hatte? Vielleicht hatte Fielding versucht, mir etwas zu verraten, ohne offen darüber zu schreiben …
    »Haben Sie in der Zwischenzeit noch einmal versucht, den Präsidenten zu erreichen?«, fragte sie.
    Ich öffnete überrascht den Mund. »Verdammt!«
    »Was?«
    »Ich habe vergessen, meinen Anrufbeantworter abzuhören. Bitte entschuldigen Sie mich für einen Augenblick.«
    Ich ging in die Küche. Die LED des Apparats zeigte eine eingegangene Nachricht. Als ich auf den WIEDERGABE-Knopf drückte, drang eine knacksende Stimme mit Neuengland-Akzent aus dem winzigen Lautsprecher.
    »Dr. Tennant? Hier spricht Ewan McCaskell, der Stabschef des Präsidenten. Wir kennen uns. Sie waren vor zwei Jahren bei uns im Weißen Haus zu Besuch. Ich habe eben Ihre Nachricht erhalten. Ich bin sicher, Sie verstehen, dass wir hier drüben sehr beschäftigt sind. Ich kann den Präsidenten nicht informieren, bevor ich nicht genau weiß, um was es sich handelt, doch ich möchte so bald wie möglich mit Ihnen sprechen. Bitte bleiben Sie in der Nähe Ihres Telefons. Ich werde Sie erneut anrufen, sobald es meine Zeit erlaubt.«
    Ich spürte eine überwältigende Erleichterung und legte die Hand auf den Küchentresen, weil meine Knie weich geworden waren. Der Vermerk auf dem Display verriet mir, dass der Anruf gerade erst zwanzig Minuten zuvor eingegangen war.
    »Wer war das?«, fragte Rachel.
    Ich spielte die Nachricht noch einmal ab und ließ Rachel mithören.
    »Ich muss gestehen«, sagte sie schließlich, »das klang tatsächlich wie Ewan McCaskell.«
    »Das klang wie McCaskell? Das war McCaskell! Haben Sie denn nichts von alledem begriffen, was Sie gestern Abend gehört und gesehen haben?«
    Sie zog sich einen Stuhl unter dem Küchentisch hervor und setzte sich vor mich. »Hören Sie mir zu, David. Wissen Sie, warum ich hier bin? Warum ich Ihnen gestern Abend geholfen habe?«
    »Erzählen Sie es mir.«
    »Ihr Buch.«
    »Mein Buch?«
    »Ja. Jeden Tag im Krankenhaus sehe ich Dinge, über die wir während des Studiums nie geredet haben. Fälle, die in den schmalen Spalt zwischen Gesetz und Wirklichkeit fallen. Problemfälle, die zu lösen die Regierung nicht den Mumm besitzt. Ich tue für die Patienten, was ich kann … und manchmal beschwere ich mich vielleicht bei einem Kollegen, aber das ist alles. Sie haben es niedergeschrieben, und die ganze Welt kann es lesen. Sie haben einen Dreck darauf gegeben, was man deswegen hinterher mit Ihnen machen könnte. Schwangerschaftsabbruch. Pflege in den letzten Lebensjahren versus Schwangerschaftsvorsorge. Euthanasie.

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