Geraubte Erinnerung
gestorben.«
»Und?«
Sie hob verzweifelt die Hände, als begriffe ich das Offensichtliche nicht. »Verstehen Sie denn nicht? Ihr Fielding-Traum hat überhaupt nichts vorhergesehen. Es kann sich ohne weiteres um eine Trauerreaktion gehandelt haben! Hatten Sie noch mehr Träume dieser Art?«
Ich richtete den Blick auf die Straße vor mir. Wir waren beim Triangle-Technologiepark angekommen. Die I-40 verlief mitten hindurch. Weniger als eine Meile von mir entfernt leitete Geli Bauer die Jagd auf mich.
»David? Hatten Sie andere Träume dieser Art?«
»Jetzt ist nicht die Zeit, darüber zu reden.«
»Wird es eine bessere Zeit geben? Warum haben Sie Ihre letzten drei Sitzungen bei mir ausfallen lassen?«
Ich schüttelte den Kopf. »Sie glauben, ich wäre bereits übergeschnappt.«
»Das ist kein medizinischer Ausdruck.«
»Er beschreibt es trotzdem.«
Sie seufzte und blickte aus dem Seitenfenster auf den perfekten Rasen, der sich neben der Straße erstreckte.
»Das da ist Trinity«, sagte ich. »Dort drüben kommt es in Sicht.«
Das Labor stand so weit von der Straße zurück, dass kaum etwas davon zu sehen war.
»Auf dem Schild steht aber Argus Optical«, sagte Rachel.
»Das ist Tarnung.«
»Ah. Hören Sie … welchen Sinn macht es, wenn Sie mir eine Halluzination verschweigen? Welchen Teil von sich meinen Sie beschützen zu müssen?«
»Darüber reden wir später, Rachel.« Ich sah ihr an, dass sie nicht daran dachte, das Thema fallen zu lassen. »Ich brauche Medikamente, Rachel. Ich kann es mir nicht leisten, fünfmal am Tag bewusstlos zu werden, während wir auf der Flucht sind.«
»Was haben Sie genommen? Modafinil?«
Modafinil war das Standardmedikament gegen Narkolepsie. »Manchmal. Meistens Methamphetamine.«
»David! Wir haben über die Nebenwirkungen von Amphetaminen gesprochen! Sie könnten Ihre Halluzinationen verschlimmern!«
»Sie sind das Einzige, das mich wach hält. Ravi Nara hat mir Dexedrin gegeben.«
Sie seufzte. »Ich werde Ihnen ein Rezept für Adderall verschreiben.«
»Ein Rezept ist nicht das Problem, das könnte ich mir auch selbst verordnen. Das Problem ist, dass sie wissen, dass ich dieses Zeug brauche. Sie werden sämtliche Apotheken beobachten.«
»Sie können doch wohl kaum jede Apotheke in der Umgebung kontrollieren!«
»Vergessen Sie nicht, mit wem wir es zu tun haben, Rachel. Sie wissen, dass ich Medikamente brauche, und sie sind die NSA. Die gleichen Leute, die die Cockpitunterhaltungen der Piloten in den russischen Jets aufgezeichnet haben, die 1983 denkoreanischen Jumbo über Sachalin abgeschossen haben. Das ist zwanzig Jahre her, und es war ein zufälliges Ereignis. Heute suchen sie aktiv nach uns. Haben Sie Orwells 1984 gelesen?«
»Vor zwanzig Jahren.«
»Wenn ich NSA sage, stellen Sie sich Big Brother vor. Die NSA ist nicht viel weniger als ein totaler Überwachungsapparat.«
»Aber Sie brauchen Ihre Medikamente!«
»Sie müssen doch jemanden kennen?«
»Ich könnte sie in der Krankenhausapotheke besorgen.«
»Dort wird man auf uns warten.«
»Scheiße.«
Ich hatte sie noch nie fluchen hören. Vielleicht lag es an den Bluejeans. Vielleicht legte sie ihre vornehme Zurückhaltung mit ihren Röcken und Seidenblusen ab.
»Ich kenne einen Arzt in North Durham, der uns ein paar Proben geben kann«, sagte sie schließlich.
Wir hatten Durham bereits hinter uns gelassen und waren ein gutes Stück weit auf der Strecke nach Raleigh. Ich kannte Geli Bauer zu gut, als dass ich länger als unbedingt nötig in der Gegend bleiben wollte. Außerdem wollte irgendetwas in mir paradoxerweise, dass die Träume nicht aufhörten. Mein letzter Traum hatte uns das Leben gerettet, und obwohl ich das Rachel gegenüber niemals eingestanden hätte, spürte ich irgendwie, dass meine Träume – so beängstigend sie auch sein mochten – mir Informationen über unsere Lage lieferten. Informationen, zu denen ich auf keine andere Weise Zugang hatte.
»Wir kehren jetzt nicht mehr um«, entschied ich.
»Und wenn Sie am Steuer umkippen?«
»Sie haben im Haus ja gesehen, dass es nicht von einer Sekunde auf die andere kommt.«
»Aber im Haus haben Sie nicht hinter dem Steuer gesessen.«
»Ich habe bis jetzt immer ein paar Minuten Vorwarnzeit gehabt. Ich fahre sofort rechts ran, wenn ich merke, dass ein Anfall kommt.«
Rachel war mit meiner Antwort offensichtlich unzufrieden. Als wollte sie einen Teil ihres Ärgers abstreifen, legte sie den Fuß aufs Armaturenbrett, öffnete die
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