Geraubte Herzen
Über der Treppe hing sogar ein Monet, und sie hätte gewettet, dass
er echt war. Sie fühlte sich in all der Pracht wie ein Bauer, der seinen König aufsucht, und dieses Gefühl gefiel ihr überhaupt nicht.
Als er zurückkehrte, sagte sie: »Jetzt aber los. In der Küche wird mir um einiges wohler sein.«
Er nahm ihr die Suppe ab und bedeutete ihr, in einen dämmrigen Gang vorauszugehen. »Warum?«, fragte er.
»Hier ist es wie in einem Museum.« Sie drehte sich nach ihm um. Seltsam, sie kam sich gehetzt vor. Als sei er ein großer Löwe, der ihr nachpirschte, damit sie ihm nicht entkam. »Ich habe Angst, etwas kaputtzumachen.«
Er zuckte die Achseln. »Es lässt sich alles ersetzen.«
»Wirklich? Es gibt hier also keine einmaligen Kunstgegenstände?« Sie ging ein Stück zurück, um ihn anzusehen und dieses unheimliche Gefühl, verfolgt zu werden, abzuschütteln. Aber es half nichts gegen das Unbehagen.
»Ein paar«, sagte er.
»Wenn ich etwas kaputtmache, muss ich dann den Rest meines Lebens Teller spülen, um für den Schaden aufzukommen?«
»Wir sind hier nicht in einem Restaurant. Wir stellen unseren Gästen keine Rechnung.« Er nahm sie am Arm und zog sie an seine Seite. »Aber falls Sie sich deswegen Sorgen machen, sollten Sie lieber aufpassen, wo Sie hingehen.« Er steuerte sie um ein kleines Sideboard herum, auf dem eine große, mundgeblasene Glasvase stand. Er hielt sie dicht neben sich, den Arm um ihre Taille gelegt.
»Ich laufe schon nirgends hinein«, versicherte sie.
»Ich weiß.«
»Sie brauchen mich nicht festzuhalten.«
Er sah auf sie herab, und seine Lider waren schwer. »Es gefällt mir, Sie festzuhalten.«
»Oh.« Oh, du meine Güte! Das war ein Problem, denn
ihr gefiel es auch. Aus ihren Telefonaten wusste sie, dass er entschlossen und unerbittlich sein konnte. Jetzt, da sie ihn sah, da er sie berührte, entfachte er eine Sehnsucht in ihr, die sie sowohl zu ihm hinzog als auch davonlaufen wollen ließ, so schnell und so weit weg wie möglich.
Wenn sie klug war, rannte sie.
Aber offenkundig hatte sie ihre Klugheit eingebüßt. Und ihre Gesprächsthemen auch, denn ihr fiel kein einziges Wort ein, während sie eng umschlungen wie Liebende nebeneinander gingen.
Sie schloss eine Sekunde lang die Augen. Es konnte nicht sein, dass sie so dachte. Nicht von einem Mann, den sie gerade erst kennen gelernt hatte. Ein Mann … der offensichtlich krank war.
Aber sie kam nicht umhin, seine Wärme zu spüren, während er neben ihr ging.
»Sie haben Fieber.«
»Nein. Ich habe niemals Fieber.«
»Jetzt schon.« Sie stockte. »Lassen Sie mich Ihre Stirn fühlen.«
Er blieb stehen und beugte sich zu ihr.
Sie griff hinauf.
Er wich zurück. »Meine Mutter sagt immer, Fieber erkennt man nur, wenn man mit den Lippen misst.«
Verdammt. Ihre Mutter hatte das auch immer gesagt. Hope sagte mit glaubhaft gespielter Leichtigkeit: »Also dann.« Sie legte die Hand in seinen Nacken, zog ihn nah heran und legte ihre Lippen auf seine Stirn.
Kühl. Verblüfft versuchte sie es an einer anderen Stelle und noch einer. Er hatte kein Fieber. Sie strich mit der Hand seine Wange entlang, massierte seine Schulter und ließ die Hand seinen Arm hinuntergleiten. »Aber Sie sind so warm!«
»Und mir wird immer wärmer.« Er lächelte, verzog langsam seine Lippen.
Sein erstes Lächeln. Vermutlich sein erstes Lächeln überhaupt, vermutete Hope. Ein Lächeln, das ihr bewusst machte, dass sie ihn streichelte. Ihn streichelte, als sei er eine Großkatze und sie eine Löwenbändigerin - aber sie wusste genau, dass sie nichts dergleichen war.
Nicht bei einem solchen Löwen. Nicht bei einem solchen Mann.
8
Zack sah erfreut, dass Hopes blaue Augen sich erschreckt weiteten. Gut. Lust war also da. Sie hatte so getan, als sei dem nicht so, aber die Lust war definitiv da.
Sie zog ihre Hand zurück und sagte schroff: »Nein. Kein Fieber.« Dann drehte sie sich um und marschierte den Gang hinunter. Fasziniert vom Schwung ihres kompakten Hinterteils, blieb Zack ihr dicht auf den Fersen.
Die Frauen sagten immer, er sei warm. Im Bett kuschelten sie sich an ihn, dankbar für die Hitze. Von seinen Geliebten behaupteten sogar manche, er wärme sie von innen, wenn er in ihnen war.
Vielleicht war das nur eine nette Schmeichelei, aber eine, die für Hope wahr werden würde. Denn wenn sie ihn berührte, brannte er.
Sie schien sich unwohl zu fühlen mit Zack so dicht hinter sich, denn sie versuchte abzulenken. »Haben Sie sich bei
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