Geraubte Herzen
und stand auf. »Ich bringe Sie nach oben.«
Sie sah ihn an, und natürlich heftete sich ihr Blick auf seine Erektion. »Nein. Ich finde den Weg schon selber.«
Er ging auf sie zu.
Sie wich zurück. Etwas gelassener sagte sie: »Nein, wirklich. Lassen Sie es bleiben.«
15
»Herzlichen Glückwunsch!« Hope strahlte das Schaltbrett an, als gäbe es dort Mr. Cellos Gesicht zu sehen. »Ich wusste, Sie bekommen Ihr Stipendium! Jetzt können Sie Ihre Ausbildung beenden und ein berühmter Cellist werden.«
»Meinen ersten Auftritt in der Carnegie Hall widme ich Ihnen. Für Hope, die immer an mich geglaubt hat.« Mr. Cellos tiefe Stimme zitterte einen Moment lang. »Wenn ich dachte, ich gebe besser auf, waren es immer Sie, die mich zum Weitermachen gebracht hat.«
Sie presste die Hand aufs Herz. Es fühlte sich gut an, dass jemand ihre Bemühungen zu schätzen wusste. »Und wie feiern Sie jetzt?«
»Ich gehe mit meinen Freunden aus.« Sie hörte im Hintergrund Stimmen röhren, die Mr. Cello hochleben ließen. »Genauer gesagt sind sie schon da. Aber ich musste es Ihnen einfach erzählen. Uh, hu, hu.« Das Telefon schlug irgendwo an. Er hatte es fallen lassen, und als er es wieder aufhob, lachte er. »Die tragen mich hier raus! Wir reden später weiter!«
»Okay«, sagte sie, aber die Leitung war bereits tot.
Toll. Das war großartig. Mr. Cello hatte sein Stipendium. Eins zu null für die guten Jungs.
Madam Nainci rumpelte im Schlafzimmer herum, machte schließlich die Tür auf und rauschte ins Zimmer. Sie trug eine schrille blaue Hose, einen blau-rot karierten Blazer und einen roten Schal. Sie war so energiegeladen, dass Hope blinzelte. »Ich bin heute Morgen etwas spät dran.« Aber sie lächelte und summte vor sich hin.
Es war schön, Madam Nainci so glücklich zu sehen. »Waren Sie mit Mr. Wealaworth aus?«
»Nein, mein Liebes, letzte Nacht war ich mit Gregor tanzen.«
»Gregor?« Wer war Gregor? Was war mit Mr. Wealaworth passiert? Hope beäugte den leeren Schreibtisch. Was war mit Mr. Wealaworth passiert? Er war schon den ganzen Tag lang nicht da.
»Ich habe Gregor gestern im Lebensmittelladen kennen gelernt.«
Madam Nainci wuselte zum Garderobenständer und nahm die langatmige Prozedur in Angriff, sich für draußen anzuziehen. »Er ist ein schöner Mann und so höflich. Er hat mich im Griechischen Teesalon auf einen Tee und Baklava eingeladen, die sehr gut waren, und dann sind wir in den Club gegangen und haben getanzt!«
»Das hört sich wunderbar an.« Hope war verwirrt. »Und was ist mit Mr. Wealaworth?«
»Der ist auch ein schöner Mann.« Madam Nainci zuckte die Achseln. »Das Leben meint es gut mit mir. Bei zwei Männern zur Auswahl ist es doppelt so leicht, eine Verabredung zu treffen.«
Hope kicherte. Madam Nainci fand immer einen Weg zum Glück, darauf war Verlass.
»Jetzt muss ich aber in den Lebensmittelladen!« Madam Nainci warf sich mit großer Geste einen purpurrot befransten Schal um den Hals und wandte sich zum Gehen.
»Ich dachte, da waren Sie gestern schon.«
»Ich habe das Einkaufen vergessen!«
Hope lachte, als Madam Nainci hinausstiefelte, und machte sich wieder ans Physiklernen. Sie begriff jetzt, worum es ging. Aber jede Aufgabe war schwieriger als die letzte, am Ende der Seite machte sie eine Pause und massierte ihre angespannten Nackenmuskeln. Wenn nur Griswald da wäre, um ihr zu helfen.
Aber so verärgert, wie er gestern Abend gewesen war, wollte er vermutlich gar nicht mehr kommen.
Automatisch machte sie den Pferdeschwanz auf und kämmte das Haar mit den Fingern durch, um es gleich wieder zusammenzubinden.
Aber dann fiel ihr ein, wie Griswald sie angesehen hatte, als die Strähnen wild um ihre Schultern gefallen waren, und sie ließ sie offen.
Er hatte natürlich mehr gewollt als nur offenes Haar. Sie war unberührt, aber kein Dummkopf. Sie hatten auf seinem Bett gelegen, sie hatte sich in seine Küsse fallen lassen … und mit der Zeit gemerkt, dass er mehr als nur küssen wollte. Er hatte jeden Zentimeter ihrer nackten Haut zärtlich liebkost, ihre Arme, ihren Hals. Aber dann hatte er, bevor sie es noch begriffen hatte, die Hand unter ihr T-Shirt geschoben und ihre Brust umfasst.
Da erst hatte sie verstanden, dass sie fort musste, bevor es zu spät war.
Es war ihr nicht leicht gefallen. Er wollte nicht aufhören, und sie, Gott helfe ihr, hatte auch nicht gewollt, dass er aufhörte.
Während sie so darüber nachdachte, schlichen sich ihre Hände die Arme
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