Geraubte Herzen
hier ein Buch.«
»Ein Buch? Gute Idee.« Er hielt inne und sagte dann verärgert: »Ich bin hier bei einer Frau, aus der gerade ein Baby herauskommt! Ich bin nicht in der Stimmung zum Lesen!«
Hope nahm all ihre Geduld zusammen. »Das Buch erklärt, was man in einer solchen Situation tun soll. Erstens: Wo ist Mrs. Shepard jetzt?«
»Im Bett.«
»Gut. Wenn Sie ihr zwischen die Beine schauen, können Sie dann den Kopf des Babys sehen?«
»Nein.« Er hörte sich nicht mehr so panisch, dafür aber verschreckt an.
Hope atmete erleichtert auf. »Wunderbar. Das heißt, wir haben noch die Zeit, auf die Ambulanz zu warten. Ich möchte jetzt, dass Sie Mrs. Shepard ein sauberes Laken unterschieben.«
»Aber da kommt Zeug aus ihr raus.«
Das hier würde nicht leicht werden. Hope brach der Schweiß aus. »Mr. Shepard, haben Sie keinen Film von einer Geburt gesehen?«
»Oh, doch. Oh.«
»Wir brauchen saubere Laken. Holen Sie welche. Setzen Sie Wasser auf und bringen Sie es zum Kochen. Und sperren Sie die Tür auf, damit der Notarzt hereinkann.«
»Laken. Wasser. Aufsperren. Richtig.«
»Lassen Sie mich mit Mrs. Shepard reden.«
Er reichte das Telefon an seine Frau weiter, und Hope hörte ihn sagen: »Sie will dich sprechen.«
»Das ist gut.« Mrs. Shepard hörte sich erstaunlich gelassen an. Sie schien zu warten, bis Mr. Shepard den Raum verlassen hatte, aber vielleicht hatte sie auch eine Wehe, denn sie sagte eine Zeit lang nichts. »Hallo, Hope«, meldete sie sich dann. »Tut mir Leid, dass wir Sie damit belästigen, aber wir schaffen es nicht mehr zum Krankenhaus. Die Wehen kommen jetzt … mit … kaum einer Minute Abstand.«
Hope hörte Mrs. Shepard keuchen und las schnell weiter. Ihr sank das Herz. Wenn stimmte, was hier geschrieben stand, hatten sie nicht mehr viel Zeit. Als Mrs. Shepard sich zurückmeldete, sagte Hope. »Ich lege erst wieder auf, wenn der Notarzt da ist.«
»Danke … schön.«
Hope überflog die Seiten. »Pressen Sie schon?«
»Das Baby kommt … jetzt. Ja, ich presse.« Mrs. Shepard wirkte ziemlich gereizt.
Das war in Ordnung. Sie hatte ein Recht, gereizt zu sein, und Hope musste ihrem verängstigten Ehemann helfen, das Baby zu holen.
Mrs. Shepard sagte: »Da kommt … Mike. Mit den … Laken. Alles in Ordnung, Schatz? Du siehst so blass aus.«
»Geben Sie ihn mir«, befahl Hope. Als sie Mr. Shepard wieder am Apparat hatte, sagte sie streng: »Hören Sie zu, Mike. Sie können jetzt nicht in Ohnmacht fallen. Ich kann dieses Baby nicht per Telefon holen. Diese Arbeit müssen schon Sie machen.«
»Ich weiß.« Er hörte sich sogar blass an.
»Nicht in Ohnmacht fallen. Schieben Sie ihr ein Laken unter die Hüften. Kann sie die Füße gegen das Fußende stellen?«
»Ich hab’s. Ja. Hope?«
Hope las, so schnell sie konnte. »Ja?«
»Ich kann etwas sehen, und ich glaube, es ist der Kopf.«
»Hoffentlich.« Denn wenn es die Füße waren, waren sie alle in Schwierigkeiten. »Das geht alles sehr schnell, hm, Mr. Shepard? Aber Sie schaffen das schon.«
»Shelley sieht gar nicht glücklich aus.«
Hope hörte Mrs. Shepard ächzen. »Es geht ihr gut.« Hope betete, dass es ihr wirklich gut ging. »Das Baby müsste mit dem Gesicht nach unten kommen.«
»Ja. Tut es.«
Hopes Herz schlug so heftig, dass sie aufstehen musste. »Umfassen Sie es mit den Händen und nehmen Sie es ganz vorsichtig. Es wird -«
»Warten Sie!«
Im Hintergrund hörte Hope Stimmengewirr.
Mike sagte aufgeregt: »Der Notarzt kommt gerade durch die Tür!«
»Gut, aber Sie müssen das Baby halten und -« Zu spät. Mr. Shepard hatte das Telefon fallen lassen, aber sie hoffte, dass er wenigstens das Baby hielt. Hope hörte ihn rufen, hörte ein paar Leute antworten und krallte sich an der Kante ihres Schreibtisches fest, während sie Geschehnissen folgte, die sie weder beeinflussen, geschweige denn sehen konnte.
»Gleich, Mrs. Shepard«, hörte Hope eine Frauenstimme sagen. »Das Baby ist fast da. Alles in Ordnung. Das Schlimmste haben Sie hinter sich. Nur noch einmal pressen -«
Hope hörte Babygeschrei, und einen Moment lang schwiegen alle. Dann hörte sie Mr. Shepard einen Freudenschrei ausstoßen, die Sanitäter riefen einander Instruktionen zu, und Mrs. Shepard sagte irgendwas mit glücklicher, singender Stimme. Hope konnte nur vereinzelte Worte heraushören, denn der Aufruhr ging noch ungefähr zwei
Minuten lang so weiter … dann plötzlich war das Chaos vorüber. Die Stimmen wurden leiser, das Baby weinte,
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