Geraubte Herzen
Sie?«
»Colin Baxter«, stellte er sich wieder vor, als müsste sie ihn kennen.
Was sie nicht tat. Sie kannte ihn nicht, auch wenn er sehr gut aussah, typisch amerikanisch, mit blond gesträhntem Haar und grünen Augen.
Er streckte die Hand aus.
Sie schüttelte sie höflich. »Kann ich Ihnen irgendwie behilflich sein?«, fragte sie, was unter den gegenwärtigen Umständen lachhaft war, aber sie musste etwas sagen.
»Ich kann etwas für Sie tun.« Er wies neben sie auf die Bank. »Haben Sie etwas dagegen, wenn ich mich setze?«
»Nicht im Geringsten.« Auch wenn sie eigentlich doch etwas dagegen hatte. Der Mann war ihr unangenehm. Er trug einen teuren Pullover und eine elegante Lederjacke, aber nicht wie Griswald, dessen Sachen genauso elegant waren. Vielleicht war das der Unterschied: Baxters Kleider trugen ihn; Griswald trug seine Kleider.
Baxter setzte sich und beanspruchte, für einen Mann, der nicht größer als eins sechzig war, eine Menge Platz.
Sie rutschte in die Ecke.
Er rutschte nach.
Sie wollte aufstehen und davonlaufen. Aber das konnte sie nicht tun. Man hatte ihr gesagt, dass sie sich hier hinsetzen sollte, und sie war jemand, der sich an Regeln hielt.
Sie sah sich verbittert um. Sieh an, wohin das Regelbefolgen sie gebracht hatte!
»Ich bin ein Freund von Zack Givens.« Mr. Baxter wartete ab, als müsse jetzt ein Aufschrei kommen.
Sie antwortete ihm mit einem »Oh.« Und was jetzt?
»So wie ich das verstanden habe, arbeiten Sie für den Auftragsdienst, der seine Nachrichten für ihn aufnimmt.«
»Das stimmt«, sagte sie.
»Haben Sie auch mit Zack zu tun?«
»Nie. Ich habe immer nur mit seinem Butler gesprochen, Griswald.«
Colin Baxter lehnte sich zurück. »Unglaublich.« Er beugte sich wieder vor. »Haben Sie Griswald je zu Gesicht bekommen?«
»Ja, ich … habe ihn gestern Abend gesehen.« Worauf wollte dieser Mr. Baxter hinaus? Hope mochte das blitzende, zynische Lächeln nicht.
»Wie hat er ausgesehen?«
»Eins neunzig, schwarze Haare, braun gebrannt, durchtrainiert …« Sie mochte diesen Mann absolut nicht. »Warum fragen Sie mich das?«
»Sieht er vielleicht so aus?« Baxter zog ein Stück Papier aus der Jackentasche und faltete es auf. Er behielt es in der Hand, während er es ihr zeigte.
Es war glattes, glänzendes Papier, eine Seite aus einem Magazin. Drei Spalten Text und im rechten oberen Viertel ein Foto von Griswald, der einen Smoking trug und eine wunderschöne Frau eskortierte, die ein Abendkleid trug.
Hope starrte das Foto an. Sie brauchte Baxter nicht erst anzusehen, um zu wissen, dass irgendetwas schrecklich verkehrt war. »Ja, das ist er.«
Baxter zog den Daumen von der Bildunterschrift . Zachariah Givens und seine Begleiterin Robyn Bennett beehren den alljährlichen Wohltätigkeitsball der Stiftung für die Brustkrebs-Bekämpfung.
Hope ließ das Blatt fallen, als hätte sie sich die Finger verbrannt.
»Ja. Er hat Sie hinters Licht geführt, oder?« Baxter hörte sich widerwärtig mitfühlend an. Sich nicht weiter um ihr Elend scherend, legte er den Arm um ihre Schultern. »Das ist wieder typisch Zack. Sagt, er ist mein Freund, investiert
in mein Unternehmen, und jetzt übernimmt er es, schnappt es mir direkt vor der Nase weg …«
Sie hörte gar nicht mehr zu. Baxters Firma war ihr egal. Die war nur ein Ding .
Aber Griswald, der Mann, dem sie sich hingegeben hatte und den sie liebte … war nicht Griswald. Sondern ein reicher, abgebrühter Lügner, der ihre alberne Hühnersuppe gegessen und sie in dem Glauben belassen hatte, er sei ein Butler. Er hatte sie auf eine Art und Weise betrogen, die jeden anderen Betrug klein und unbedeutend erscheinen ließ.
»Also, wer hätte das gedacht? Der große Mann kommt höchstpersönlich aufs Polizeirevier und rettet seine Freundin«, sagte Baxter mit schmieriger Stimme.
Ein Paar blanker schwarzer Schuhe eilten über den Steinboden und blieben vor Hope stehen.
Baxter erhob sich geschmeidig und zeigte auf sie. »Gestohlen hat sie auch noch. Das kannst du keinem vergeben.«
Hope realisierte, dass er nicht zu ihr sprach. Er sprach zu den Schuhen.
»Aber sie hat mit dir geschlafen , deshalb bist du hier.« Baxter ließ die liebenswürdige Maske fallen. »Schätze, das hätte ich auch mal versuchen sollen. Zu dumm, dass ich nicht auf Männer stehe. Vielleicht hättest du mir meine kleinen Sünden dann eher verziehen.«
»Halt die Klappe, Baxter.« Es war Griswalds - nein, Mr. Givens’ - tiefe Stimme, aller Wärme
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