Geraubte Herzen
Neffen nicht die Spur Mitleid zu haben. »Ich habe nie verstanden, warum du es ihr nicht gleich gesagt hast.«
»Weil sie gesagt hat, dass sie reiche Leute nicht mag, und ich war so hingerissen von ihr, dass ich sie nicht verschrecken wollte.« Damals war ihm das vernünftig erschienen. Jetzt, unter den kritischen Blicken seiner Eltern, hörte es sich dumm an. Er ging zum Barschrank und schenkte sich einen Scotch ein. »Sie hat schlimme Dinge über mich gesagt.« Das hörte sich noch dümmer an.
»Ich sage die ganze Zeit schlimme Dinge über dich«, erwiderte Tante Cecily kühl. »Die meisten sind gerechtfertigt.«
Zack schüttete den ganzen Scotch in einem Schluck hinunter.
»Sohn, Sohn, du solltest etwas mehr Respekt zeigen.« Vater hörte sich angewidert an. »Dieser Scotch ist hundert Jahre alt.«
Zack wischte sich die wässrigen Augen. »Sie wusste, wer ich bin, und hat so getan, als wisse sie es nicht, damit ich alle Vorsicht fahren lasse.«
Die Familienmitglieder warfen einander wissende Blicke zu.
»Und zu welchem Zweck«, fragte sein Vater.
»Damit ich sie heirate.« Hope hatte nie von Heirat gesprochen, erst beim letzten Schuss, den sie auf ihn gefeuert hatte. Aber sie hatte gesagt, dass es Teil ihres Plans gewesen war. Und ihr Plan hatte funktioniert. Das war es, was an ihm zehrte. Nicht der Herzschmerz, sondern zu wissen, dass er tief im Innersten ans Heiraten gedacht hatte. Weil er sie haben musste, sie in jeder erdenklichen Weise besitzen musste.
»Dieses Mädchen vom Auftragsdienst?« Vater runzelte die Stirn, und die wilden weißen Augenbrauen standen ihm zu Berge. »Das ist doch die, von der wir hier reden?«
»Ja, Lieber«, sagte Mutter.
Vater verschränkte die Hände über dem Bauch. »Wie deine Tante behauptet, hast du aus Gründen, die ich immer noch nicht verstanden habe, so getan, als seiest du dein eigener Butler. Das Mädchen hat dir geglaubt und dir Hühnersuppe gebracht. Du hast sie umgarnt. Du warst, wie ich annehme, erfolgreich, wie du es immer bist. Jetzt sagst du, dass sie die ganze Zeit gewusst hat, wer du wirklich bist, es dir aber nicht gesagt hat, damit du alle Vorsicht schießen lässt, und jetzt ist sie wegen irgendetwas verhaftet worden.«
»Wegen Unterschlagung.« Hopes blasses Gesicht tauchte vor ihm auf. Sie hatte schon niedergeschlagen ausgesehen, bevor sie ihn bemerkt hatte.
Natürlich. Man hatte sie verhaftet, und sie war auf dem Weg ins Gefängnis. Und … Zack brachte die Worte kaum über die Lippen. »Baxter war bei ihr. Baxter ist ihr Komplize.«
Anstatt mit angemessenem Schrecken und Entrüstung
zu reagieren, sagte Tante Cecily: »Zack, ich habe noch nie erlebt, dass du unüberlegt geredet hättest. Das hast du auch diesmal nicht getan, oder? Du hast ihr, mit solch fadenscheinigen Beweisen in der Hand, doch nicht vorgeworfen, sie hätte dich hintergangen?«
Zack wurde langsam schlecht. Vielleicht rächte sich der hundertjährige Scotch auf eigene Faust. Er schlenderte zum Teewagen, nahm sich drei kleine, krustenlose Sandwiches und schob eines in den Mund.
Tante Cecily sah ihn die ganze Zeit über vorwurfsvoll an.
Er kaute schuldbewusst.
»Klingt für mich wie ein Haufen Unsinn, Sohn. Ich sage, irgendwer hat dich hereingelegt, aber diese Hope war es nicht. Vermutlich dein Freund Baxter. Ich hab den Jungen nie gemocht.« Vater starrte finster in seine Teetasse, dann gab er Zack ein Zeichen. »Bring mir einen Scotch.«
Mutter rang vergebens die Hände. »Lieber, du weißt doch, was der Doktor gesagt hat.«
»Ja, er hat gesagt, wenn ich nicht trinke, rauche oder gut esse, dann lebe ich ewig. Ich sage, es wird mir nur ewig erscheinen.« Mit entschiedenem Nicken sagte er: »Sohn, gieß mir einen Scotch ein.«
Zack schenkte seinem Vater einen kleinen Scotch ein und reichte ihm das Glas. Dann goss er sich selber nach.
»Baxter ist ein Lügner, ein Betrüger, ein Dieb. Und er hegt einen Groll gegen dich. Hast du bedacht, dass er zu dieser Polizeistation gegangen sein könnte, um Schwierigkeiten zu machen?«, dozierte Tante Cecily mit Nachdruck.
»Ja, habe ich! Aber woher hätte Baxter von Hope wissen sollen? Woher hätte er wissen sollen, dass sie dort war?« Zack starrte die schimmernde Flüssigkeit an.
Vater klopfte mit seinen knorrigen Knöcheln auf den Tisch. »Das ist die Frage, der du nachgehen solltest. Du ziehst voreilige Schlüsse. Ich dachte, ich hätte es dir besser beigebracht.«
»Wenn dieses Mädchen dir wichtig ist, dann bist du
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