Geraubte Seele
Schlag wurde aus der Frau Doktor Parson ein geiles nimmersattes Miststück, dem sie es jetzt so richtig besorgen wollten. Daraufhin starteten sie regelrecht einen Wettkampf: wer von ihnen mich am weitesten zum Spritzen bringt.
In der nächsten Stunde beteuerte ich noch mehrmals, dass ich nicht mehr könnte. Als sogar die Mücken zu müde wurden, um mich weiter zu stechen und auch um mich herum zu schwirren, verkrampfte sich mein Unterleib zu einem Stein und meine Blase spuckte das reine Quellwasser aus den Bergen wieder aus.
Erst jetzt waren sie auch der Meinung, dass es doch reichen könnte und dass die Frau Doktor Parson ihre Lektion nun bekommen und auch gelernt hatte.
Einige von ihnen zündeten sich entspannt eine Zigarette an, jemand ging ins Haus, um für mich ein Taxi zu organisieren und der, der sich vor Stunden für meine harten Nippel interessierte, beugte sich nun über mich, um mich loszubinden. Ich war erschöpft und starrte an ihm vorbei in die Ferne des Sternenhimmels, als er sich zu mir runter neigte, um mich zu küssen. Bevor ich mich ausweichend zur Seite drehen konnte, packte ihn ein Anderer an der Schulter und zog ihn von mir weg.
„Spinnst du? Du machst noch alles kaputt!“
Sie durften mich mit ihren Lippen sonstwo berühren. Ich nahm alles in den Mund, was sie mir vorlegten. Aber auf meinen Lippen hatten ihre Lippen nichts zu suchen.
Küssen war tabu. Genauso wie Ohrfeigen.
Das Küssen bedeutete für mich etwas weitaus Schlimmeres als eine Ohrfeige. Eine Ohrfeige konnte Spuren im Gesicht hinterlassen. Während ich die anderen blauen Flecken unter langen Ärmeln und Hosenbeinen versteckte, hätte ich es mit Spuren im Gesicht nicht so leicht machen können. Es ging mir dabei nicht nur um die Ästhetik oder was meine Kommilitonen denken könnten. Vielmehr darum, dass mich anhand dieser Spuren die Männer auf der Straße erkennen könnten. Das durfte auf keinen Fall passieren. Ein Kuss kam für mich aus anderen Gründen nicht infrage. Nein, ich war keine Pretty Woman, die küssen mit Liebe verband.
Um dies überstehen zu können, stellte ich mir vor, mein Körper wäre in eine unsichtbare Folie eingehüllt. Diese wäre ein Schutz, der all das, dem ich ausgesetzt war, abfing. All die Berührungen, ihr Parfum, Schweiß und andere Gerüche. Ihre Körpersäfte und auch die schmutzigen Namen, die sie mir gaben. Diese Schutzhülle reichte bis in mein Inneres, bis in meinen Magen, oft gefüllt mit ihrem Sperma, manchmal auch Urin. Meine Lippen hielten diese Schutzhülle zusammen. Egal was man mir in den Mund steckte, nichts konnte diese Hülle beschädigen, oder gar zerreißen. Nur ein Kuss. Ein Kuss bedeutete für mich Zärtlichkeit, ein Gefühl von Vertrauen. Mein Vertrauen ging damals mit meiner Seele flöten und Zärtlichkeit hatte an solchen Orten wie hier nichts zu suchen. Vor Beginn jedes Treffens zog ich mir diese imaginäre Folie über. Bei dem gewohnten Vorgang danach riss ich sie von mir runter und spülte sie in den Abfluss.
Es war irgendwann in den frühen Morgenstunden, als ich zuhause auf der Toilette vor der Schüssel aus Keramik kniete und mich erbrach.
„Alles ok?“, fragte mein Mitbewohner hinter der Tür nach. So hatte er mich noch nie angetroffen, da er früher nachts arbeitete und wir uns nur tagsüber über den Weg liefen.
„Ja“, antwortete ich kurz und presste meinen Magen mit bloßem Willen nochmals zusammen.
Nichts war ok, aber alles war wie immer. Wenigstens bis zu dem Augenblick, als einer der Männer auf mich zukam. Ich hatte bereits geduscht und mich umgezogen, denn von meinem Outfit war nicht mehr viel übrig geblieben.
„Wenn Sie erlauben, würde ich Sie gerne weiter empfehlen.“ Es war paradox, mit welchem Respekt und Höflichkeit sie mir am Telefon und sogar nach dem Ende einer Session begegneten, aber ich dachte nie darüber nach.
Ich pflegte es nicht, mich zu verabschieden und so eilte er mir aus dem Haus nach, bevor ich in das Taxi stieg und verschwand.
Ich kannte nicht seinen Namen. Mir waren die meisten Namen der Männer nicht bekannt. Ihre Identität war bislang nicht wichtig für mich gewesen. Doch ich wusste, in welchen Kreisen dieser Mann verkehrte und mit wem er in Kontakt war. Ich hielt meine Hoffnung immer noch aufrecht und nun schien es, als hätte ich diese tatsächlich nicht aufgeben müssen.
Ich öffnete meine Aktentasche, holte eine Karte aus dem kleinen Fach mit Reißverschluss heraus und reichte sie ihm rüber. Auf
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