Geraubte Seele
Lidschatten und Lippenstift. Sogar die Brille. Und auch wenn ich jetzt langsam vor Kälte zu zittern begann, in ihren Augen war es die Frau Doktor Parson, die sie zitternd vor Angst anflehte:
„Bitte, tun Sie mir nichts.“
Ich wusste nicht, warum diese Frau solche Fantasien in diesen Männern hervorrief. Vielleicht war sie zu prüde, oder gab sich unnahbar. Womöglich begegnete sie ihnen mit einer arroganten Art. Denkbar, dass sie keine Frau in einer so hohen Position ertrugen. Es konnte auch sein, dass sie hinter ihr Geheimnis gekommen waren. Genau so, wie es mir durch Zufall gelang.
Ich hatte keine Ahnung und ich legte auch keinen Wert darauf, es herauszufinden.
„Du hast dich alleine nicht vom Fleck zu rühren, sonst wirst du beim nächsten Fluchtversuch in diesem Teich dein Ende finden!“ Dies war nicht nur eine Vorwarnung oder Einschüchterungsversuch. Ich sollte auf der Stelle erfahren, wie ernst die Drohung gemeint war. Er hob mich mit dem Fuß an und kippte mich auf den Bauch, als wäre ich eine leere Bierdose. Dann griffen sie mir zu zweit unter die Arme und schoben mich über den Teichrand, bis ich bis zur Taille unter Wasser steckte. Diese Handlung war nicht direkt abgesprochen worden und ich rechnete auch nicht damit. Erst im letzten Augenblick machte ich die Augen zu, um die Farblinsen nicht zu verlieren. Keiner der Männer sollte jemals erfahren, welche Farbe meine Augen tatsächlich hatten.
Ich hatte schon Einiges erlebt und überlebt, aber diese Art von Wasserspielen war für mich eine echte Premiere. So schnell wie an jenem Tag hatte ich noch nie erfahren, wo meine Kraft und Ausdauer an ihre Grenzen stoßen. Ich trat mit den Füßen in die Luft, zappelte umher und schluckte Wasser. Es passierte so schnell, dass ich nicht wusste, wie mir geschah.
Bislang hielt ich mich strikt an meine Regel: Bei solchen Terminen dachte ich nie über persönliche Dinge nach. Nie machte ich mir Sorgen, ob ich irgendwelche der Spuren für immer behalten könnte. Ob ich irgendwas schlucken könnte, was mir nicht bekäme, oder ob ich am Ende einer Ohnmacht wieder aufwachen würde. Doch diesmal konnte ich den Gedanken nicht vertreiben. Ich sorgte mich jedoch nicht, dass ich in diesem kalten Wasser mein Leben lassen könnte, sondern, dass es zu früh wäre. Jetzt, wo ich ihn endlich wieder getroffen habe. Denn obwohl meine Pläne vereitelt wurden, gab ich die Hoffnung nicht auf, ihm nochmals zu begegnen. Und nun das …
Ich zappelte nicht mehr, hing reglos in ihren Armen und freute mich tatsächlich über mein Überleben. Ich durfte weiterhin auf eine neue Chance hoffen, mich eines Tages an dem Mann rächen zu können, der verantwortlich dafür war, dass mir mein eigenes Leben so wenig wert war.
Ich diskutierte mit den Männern nie über meine Sicherheit. Das wäre nur sinnloses Gerede, denn sobald ich in Fesseln lag, war ich ihrem Erbarmen und ihrer Vernunft ausgeliefert.
Die, die mich nicht hielten, standen mit den Händen in den Hosensäcken umher und sahen mir mit einem frechen Grinsen zu, wie ich mit tiefen Atemzügen meine Lunge wieder mit Sauerstoff füllte, wenn ich nicht gerade Wasser spuckte.
„Ich nehme an, du hast jetzt verstanden, Frau Doktor Parson“, sagte einer von ihnen und kam auf mich zu. Er nahm die Hand aus der Hosentasche, fasste mir unters Kinn und hob meinen Kopf hoch, sodass ich ihn ansehen musste.
„Ja“, sagte ich entkräftet, „ja, ich habe verstanden.“ Die Zwei, die mich vorhin unters Wasser drückten, stellten mich nun auf die Beine. Erst als sie sich sicher waren, dass ich alleine aufrecht stehen bleiben würde, ließen sie mich los. Ich taumelte einige Sekunden umher, als wäre ich betrunken. Er stand immer noch vor mir und wartete, bis ich mein Gleichgewicht wieder fand und ruhig stehen blieb. Dann streifte er mir über das nasse Gesicht und fasste mir an die entblößte Brust.
„Na, Parson, ist dir kalt?“, rieb er mit dem Daumen an meinem harten Nippel. „Oder hat dir die kleine Wasserlektion so gut gefallen?“
Was für eine blöde Frage.
Der Platzregen sorgte für einen Temperatursturz. Das Wasser im Teich war eisig kalt und ich zitterte wie Espenlaub.
„Magst du etwa nochmals?“
„Bitte nicht mehr!“, sprang es mir sofort über die blau angelaufenen Lippen. Mir war schon klar, dass ich sie nicht davon abbringen würde, es den ganzen Nachmittag mit mir zu machen. Er sah mich jedoch so an, als würde er eine Antwort von mir erwarten
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