Gerechte Engel
sie zu den Tischen hinüber, an denen die Schauspieler und die Crew von Bitter Tide saßen.
»Lassen Sie uns für heute Schluss machen«, schlug Bree vor. »Es war ein langer Tag. Ich möchte mich jetzt nur noch zu Hause aufs Sofa kuscheln und mir irgendwas Geistloses im Fernsehen ansehen.«
Dent blieb zusammengesunken auf seinem Stuhl sitzen.
»Alles in Ordnung?«
»Klar.«
»Flurry hat einen Zeugen erwähnt, der niemals vor Gericht erschien. Erinnern Sie sich daran?«
Er fuhr sich mit den Händen übers Gesicht. »Nur sehr vage. Ich hab ja schon gesagt, dass ich damals eine Menge getrunken habe. Und dass wir unbedingt zu Bobby Lee rausfahren müssen.« Dann schwieg er einen Moment. »Sie hat gesagt, dass meine Ermittlungen lausig waren«, fügte er hinzu.
»Ja, das hat sie gesagt.« Es würde nichts nützen, diesem schmerzlichen Thema auszuweichen.
»Glauben Sie, sie hat das von Bobby Lee, dass ich ein Trunkenbold war?«
»Denkbar wäre es. Aber das spielt ja eigentlich keine Rolle, nicht? Wichtig ist, dass wir herausfinden, was wirklich geschehen ist, und nach Möglichkeit versuchen, alles in Ordnung zu bringen. Wir stecken aus guten Gründen in dieser Sache drin, Dent, nämlich um Consuelos Interessen zu vertreten – und auch, damit Sie Ihr Programm absolvieren können.« Sie berührte seinen Arm. »Warum gehen Sie nicht nach Hause und legen sich schlafen? Morgen können wir uns dann weiter unterhalten.«
»In Ordnung.« Dent stand auf. »Soll ich Sie zurückfahren?«
Bree blickte aus dem Fenster. »Ich kann das Haus von hier aus sehen. Ich brauche bloß über die Straße zu gehen.«
»Dann bis morgen.«
Sie sah ihm hinterher, als er davonging. Sie war noch nie zuvor einem Menschen begegnet, der so einsam und allein wirkte wie William Dent. Ein vierschrötiger, erschöpfter Mann, der die Schlacht verloren hatte. Nun, sie würde ihr Möglichstes tun, damit er den Krieg gewann.
Plötzlich sehnte sie sich nach Sam Hunter. Sie holte ihr Handy heraus und drückte auf die Kurzwahltaste. Er nahm schon beim ersten Klingeln ab, was ein gutes Zeichen sein konnte (er sehnte sich ebenfalls nach ihr), aber auch ein schlechtes (er war sauer, weil sie ihn nicht schon früher angerufen hatte).
»Bree!«, sagte er erfreut.
»Hey!«
»Seit wann bist du wieder hier?«
»Tonia und ich sind gleich nach Neujahr zurückgekommen. Aber da warst du mit dieser Schießerei in der Schule beschäftigt. Wie ich gehört habe, hast du den Fall inzwischen abgeschlossen. Ist denn alles gut gelaufen?«
»Na ja, so gut eine Sache eben laufen kann, in die ein eifersüchtiger Stiefvater, ein überbesorgter Geschichtslehrer und ein von seinen Hormonen gebeutelter Teenager verwickelt sind.«
»Aber es ist niemand umgekommen?«
»Es ist nicht mal jemand ernsthaft verletzt worden. Du hast nicht zufällig angerufen, um mir zu sagen, dass du heute Abend frei bist?«
»Nicht nur das. Antonia hat bis zum späten Abend im Theater zu tun. Was hältst du davon vorbeizukommen?«
Bree hoffte, dass sie das am anderen Ende der Leitung eintretende Schweigen richtig deutete. Aber sie und Hunter waren lange genug um den heißen Brei herumgeschlichen. Sie wollte einen realen Menschen in ihrem Leben, in ihrem Bett und auch in ihrem Herzen haben. Sie wünschte sich ein eigenes Leben.
»Bin in fünf Minuten bei dir.«
Ihr Herzschlag beschleunigte sich, und ein unbändiges Glücksgefühl durchströmte sie. »Hast du schon gegessen? Ich bin gerade bei B. Matthew’s und könnte dir was mitbringen.«
»Fisch-Tacos«, sagte er wie aus der Pistole geschossen. »Wir treffen uns an deiner Haustür.«
Draußen hatte es sich inzwischen so erwärmt, dass Bree ihren Wintermantel nicht zuknöpfte. Sie klemmte sich den Karton mit Hunters Essen unter den Arm, blieb an der Ampel stehen und drückte auf den Fußgängerknopf. Von der anderen Straßenseite winkte ihr jemand zu. Bree kniff die Augen zusammen, um den betreffenden besser erkennen zu können. Es war Hunter. Er trug eine schwarze Lederjacke, die er wegen der milden Temperatur ebenfalls offen gelassen hatte. Seine große Gestalt strahlte etwas Solides und Beruhigendes aus. Sie winkte zurück. Er warf ihr eine Kusshand zu, was so untypisch für Hunter war, dass sie lachen musste.
Als das kleine weiße Männchen erschien, setzte sie den Fuß auf die Straße. Hinter sich vernahm sie ein leises Geräusch.
Dann wurde alles um sie herum schwarz.
… Sie bedarf
Des Beicht’gers mehr noch als des
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