Gerechte Engel
Leiche eingeliefert wurde.« Ron holte sein BlackBerry heraus. »Ich habe die Seite, auf der die Neuzugänge verzeichnet sind, fotografiert. Der zuständige Arzt war Dr. John Warren, was auch mit dem Polizeibericht übereinstimmt. Anschließend ist Flurry zum städtischen Leichenschauhaus gefahren, das damals in der Montgomery Street lag. Dort hat sie sich den Dienstplan vom 5. Juli angesehen, dem Tag, an dem die Autopsie stattfand. Und nun raten Sie mal, welcher Arzt bei der Autopsie mit dabei war.«
»Dr. Warren?«, sagte Bree. »Hm.«
»Dann ging sie zum Hotel zurück und machte abends zwei Anrufe. So steht es im Polizeibericht.«
Bree unterließ es lieber, Ron zu fragen, wie er an den Bericht gekommen war. Sobald der Fall auf die eine oder andere Weise abgeschlossen war, würde der Bericht in einem Archiv landen, das der Öffentlichkeit zugänglich war. Die Regeln der Compagnie besagten, dass öffentlich zugängliche Informationen auch ihnen zugänglich waren. Über den Zeitpunkt wurde in den Bestimmungen allerdings nichts gesagt.
»Und wen hat sie angerufen, Ron?«
»Craig Oliver.«
»Craig Oliver?« Bree lehnte sich zurück. Endlich konnte sie sich alles zusammenreimen. »Den Schauspieler Craig Oliver. Der im Film den Dent spielt.«
»Eddie O’Malley«, stellte Petru richtig.
»Ist doch egal«, sagte Ron ungehalten. »Wir wissen ja, wen sie meint, Petru. Flurry hat Oliver zwei Mal angerufen. Der erste Anruf dauerte ungefähr zwei Minuten, der zweite fast eine Stunde. Zwischen den beiden Anrufen lagen genau zweiundzwanzig Sekunden.«
»Er hat aufgelegt«, sagte Bree. »Und sie hat noch einmal angerufen.«
»Das ist nichts als eine Verrmutung«, sagte Petru, »wenn auch eine naheliegende. Einen Moment bitte.« Er tippte auf die Tastatur, las, was auf dem Bildschirm erschien, und blickte mit grimmigem Lächeln auf. »Ich habe alle weißen, 1952 registrierten Buicks mit allen Namen in Florida Smith’ Daten verrgleichen lassen. Hier ist das Ergebnis.« Er drehte seinen Laptop so herum, dass Bree und Ron den Bildschirm sehen konnten.
»Creighton Oliver«, sagte Bree. »Craig Olivers Vater.«
Petru drehte den Laptop wieder zu sich und ließ seine Finger erneut über die Tastatur eilen. »Der Mann ist achtundfünfzig Jahre alt. Creighton Oliver ist sicher sein Vater. Ah! Das ist der Durchbruch! Er ist in derr Tat sein Vater. Außerdem war er damals Polizeichef!«
»Dents ehemaliger Vorgesetzter bei den Marines.«
»Sie scheinen ja berreits alles zu wissen«, grummelte Petru. »Wenn das so ist, warum mache ich mir dann die ganze Arrbeit? Warum haben Sie mir nicht … So, ich drrucke Ihnen das jetzt aus. Dann werrden wir weitersehen.«
Eins fügte sich zum andern, mit einer Plötzlichkeit, die Bree schwindlig werden ließ.
»Fühlen Sie sich nicht wohl, meine Liebe?«, fragte Petru.
»Haben Sie die Möglichkeit, die Akten des Leichenschauhauses von 1952 auf eine Frau X hin zu durchforsten? Anfang zwanzig, gestorben am 4. Juli, wahrscheinlich Afroamerikanerin. Der Totenschein müsste von Dr. Warren unterzeichnet sein. Eingeliefert worden ist sie von einem Polizisten, der dem Polizeichef sofort darüber Bericht erstattet hat.«
»Natürrlich. Soll ich das gleich machen?«
»Bitte.«
»Craig Oliver wohnt immer noch im Mulberry Inn, ja?«
»Soweit ich weiß, ja«, erwiderte Ron. »Vielleicht ist die Polizei schon vor uns da.«
»Wegen der Polizei mache ich mir keine Sorgen.«
Draußen war es dunkel und kalt. Da das Mulberry Inn in der Nähe der Angelus Street lag, beschloss Bree, zu Fuß zu gehen. Sie konnte jetzt schon wieder halbwegs mit beiden Beinen auftreten, und Petru hatte ihr großzügigerweise seinen Stock geliehen.
Das Zimmer, das eher eine Suite war, befand sich in der Nähe des Eingangs. Bree klopfte an die Tür und wartete. Craig Oliver fragte von drinnen, wer da sei. Nachdem Bree es ihm mitgeteilt hatte, öffnete er mit einem Drink in der Hand die Tür. Offensichtlich hatte er schon mehrere Drinks zu sich genommen.
»Ist Justine da?« Bree trat ins Zimmer, ohne die Antwort abzuwarten. Justine saß auf dem Sofa, auf dem Couchtisch vor ihr stand ein Tablett mit Getränken. Sie trug einen eleganten Bademantel oder eher – wie man in ihrer Generation gesagt hätte – einen Hausmantel. Am Kragen war die Pfauenbrosche befestigt. Auf ihrem Schoß lag das Manuskript von Floridas Buch.
»Hallo, Haydee«, sagte Bree.
Die alte Schauspielerin sah sie mit ausdruckslosem Gesicht
Weitere Kostenlose Bücher