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Gerechtigkeit fuer Igel

Gerechtigkeit fuer Igel

Titel: Gerechtigkeit fuer Igel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ronald Dworkin
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bestrafen, maßen wir uns dieses Recht an. Gefängnisstrafen stellen eine massive Verletzung der Würde dar, weil die Kontrolle darüber, was mit meinem Körper geschieht, wie gesagt, ein besonders wichtiger Teil meiner persönlichen Verantwortung ist. Bei der Todesstrafe handelt es sich um die denkbar massivste Würdeverletzung. Wir alle sind der Ansicht, daß Gefängnisstrafen manchmal notwendig sind, und manche von uns denken das auch von der Todesstrafe. Zugleich sind wir aber auch alle fest davon überzeugt, daß jemand, der nichts moralisch Falsches getan hat, nicht bestraft werden darf, weil das ihm aufgrund seiner Würde ansonsten zukommende Rechte verletzen würde. Zudem bestehen wir darauf, daß es besser ist, wenn viele schuldige Menschen unbehelligt bleiben, als wenn eine unschuldige Person bestraft wird. Auch hierin kommt zum Ausdruck, wie wichtig es ist, zwischen bloßem Pech und der Entscheidung anderer darüber, was mit meinem Leben geschehen soll, zu unterscheiden.

508 Kapitel 14
Verpflichtungen
    Konvention und Verpflichtung
    Lassen Sie uns nun versuchen, jene zwei Prinzipien der Würde – zum einen die Achtung der gleichen Wichtigkeit aller Menschenleben und zum anderen die besondere Verantwortung für das eigene Leben – auf eine Weise interpretativ zu konkretisieren, die es uns erlaubt, beide in unserer Lebensgestaltung ohne Abstriche zu berücksichtigen. Im zwölften und 13. Kapitel habe ich hierfür bestimmte Richtlinien entwickelt. Obwohl wir größtenteils auf unserer eigenen Bahn schwimmen und fremde Menschen nicht auf dieselbe Weise berücksichtigen müssen wie uns selbst und all jene, die uns nahestehen, darf uns das Schicksal anderer nicht vollkommen gleichgültig sein. Wenn Fremde unbedingt Hilfe benötigen und wir in der Lage sind, ihnen beizustehen, ohne unsere eigenen Vorhaben allzusehr einschränken zu müssen, sind wir verpflichtet, ihnen zu helfen, vor allem wenn wir direkt damit konfrontiert sind, daß jemand leidet oder in Gefahr ist. Wer in solchen Situationen Hilfe verweigert, bringt damit eine Geringschätzung des Lebens anderer zum Ausdruck, die auch Selbstachtung verunmöglicht. Zugleich haben wir die davon unterschiedene und sehr viel stärkere Verantwortung, fremden Menschen nicht zu schaden. Wir dürfen andere nicht absichtlich verletzen, selbst wenn wir dadurch unseren Besitz mehren oder unsere Überlebenschancen erhöhen würden. Diese beiden moralischen Vorschriften – zu helfen und nicht zu schaden – habe ich in den vorangehenden Kapiteln bereits grob erläutert. Was sie in konkreten Situationen genau erfordern oder verbieten, bedarf eines genaueren Urteils und hängt in zu hohem Ma
509 ße von den Einzelheiten des jeweiligen Falls ab, als daß man konkretere Regeln im voraus festlegen könnte. Letztlich geht es um weitere und sehr oft nicht explizit artikulierbare interpretative Urteile, die wir von Fall zu Fall treffen. Das gilt allerdings nicht für den Bereich der Politik, auf den ich später eingehen werde.
    Soviel zu unserem Verhalten gegenüber Fremden. In diesem Kapitel geht es um die ethische und moralische Herausforderung, vor der wir stehen, wenn es sich bei den Personen, denen wir auf eigene Kosten helfen könnten, nicht um Fremde handelt, sondern um Menschen, zu denen wir auf eine von zwei Weisen in einer besonderen Beziehung stehen. Man kann hier zwischen zwei Hauptkategorien unterscheiden, die ich als performative und assoziative Beziehungen bezeichnen werde. Erstens verleihen wir bestimmten Menschen durch eindeutig datierbare und freiwillige Handlungen einen Sonderstatus, zum Beispiel wenn wir ihnen etwas versprechen. Zweitens haben andere einfach aufgrund einer existierenden assoziativen Bindung einen solchen Status – etwa weil sie Teil unserer Familie oder mit uns verwandt sind oder weil wir als Partner ein gemeinsames Projekt in Angriff genommen haben. Eine dieser assoziativen Beziehungen ist besonders wichtig, und zwar der politische Zusammenschluß. Aus diesem Grund will ich sie später in diesem Kapitel gesondert erörtern.
    Oft wird gesagt, daß performative und assoziative Beziehungen »Pflichten« oder »Verpflichtungen« entstehen lassen; das sind Worte, die eine besonders starke Verantwortung anzeigen sollen. Wir sagen zum Beispiel, daß Eltern die Pflicht haben, für ihre Kinder zu sorgen, daß wir eine Verpflichtung haben, unseren Kollegen am Arbeitsplatz beizustehen, oder daß ein Mensch, der jemandem ein Versprechen gegeben

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