Gerechtigkeit: Wie wir das Richtige tun (German Edition)
Studentin, die aufgrund einer Spende von zehn Millionen Dollar für eine neue Hochschulbibliothek angenommen wird, den anderen Bewerbern gegenüber durchaus einen legitimen Vorzug aufzuweisen: Ihre Aufnahme dient dem Wohl der Universität insgesamt. Studenten, die zugunsten des Kindes eines reichen Spenders abgelehnt werden, könnten sich beschweren, man habe sie unfair behandelt. Doch Dworkins Antwort auf Hopwood lässt sich auch auf jene anwenden. Fairness erfordert lediglich, dass niemand aufgrund von Vorurteilen oder Verachtung abgelehnt wird und dass Bewerber nach Kriterien beurteilt werden, die mit der von der Universität selbst festgelegten Zielsetzung zusammenhängen. Im vorliegenden Fall sind diese Bedingungen erfüllt. Die Studenten, die nicht angenommen werden, sind nicht Opfer von Vorurteilen; sie haben nur das Pech, keine Eltern zu haben, die bereit und in der Lage sind, eine neue Bibliothek zu spenden. Diese Norm ist allerdings zu schwach. Es erscheint nach wie vor als unfair, wenn wohlhabende Eltern in der Lage sind, ihrem Kind eine Eintrittskarte für die Ivy League zu kaufen. Aber worin genau besteht die Ungerechtigkeit? Sie kann nicht in der Tatsache liegen, dass Bewerber aus armen oder Mittelschichtfamilien in eine nachteilige Position gebracht werden, ohne dies ändern zu können. Dworkin zufolge sind viele Faktoren, die wir nicht beeinflussen können, legitime Kriterien für die Zulassung.
Vielleicht hat das, was an der Versteigerung stört, weniger mit den Bewerbern zu tun als mit der Integrität der Universität. Plätze an den Meistbietenden zu verkaufen ist eher einem Rockkonzert oder einem Sportereignis angemessen als einem Ausbildungsinstitut. Wie der Zugang zu einem Gut gerecht zu regeln ist, könnte etwas mit der Natur dieses Guts zu tun haben, mit seinem Zweck. In der Debatte über positive Diskriminierung spiegeln sich konkurrierende Ansichten über den Zweck von Hochschulen: In welchem Umfang sollten sie akademische Exzellenz verfolgen oder die Werte der Zivilgesellschaft fördern? Und wie sollten diese Ziele gegeneinander abgewogen werden? Obwohl eine Hochschulausbildung auch dazu dient, Studenten auf erfolgreiche Karrieren vorzubereiten, ist ihr vorrangiger Zweck nicht kommerzieller Natur. Verkauft man Ausbildung also, als wäre sie lediglich ein Konsumgut, ist das eine Art von Korrumpierung.
Was aber ist dann der Zweck einer Universität? Harvard ist nicht Walmart oder gar eine Filiale der Luxuskaufhauskette Bloomingdale’s. Zweck der Universität ist nicht, Einkommen zu maximieren, sondern dem Gemeinwohl durch Lehre und Forschung zu dienen. Zwar sind Lehre und Forschung teuer, und Universitäten verwenden viel Mühe darauf, Geld aufzutreiben. Aber wenn das Ziel des Gelderwerbs so weit vorherrscht, dass es die Studienzulassung lenkt, hat sich die Universität weit von den wissenschaftlichen und bürgerlichen Werten abbringen lassen, die ihre vorrangige Existenzberechtigung ausmachen.
Die Vorstellung, dass Gerechtigkeit bei der Vergabe von Studienplätzen etwas mit den Werten zu tun hat, die von Universitäten verkörpert werden, erklärt, warum der Verkauf von Zulassungen ungerecht ist. Außerdem erklärt sie, warum es schwerfällt, Fragen der Gerechtigkeit und der Rechte von Fragen der Ehre und der Tugend zu trennen. Universitäten vergeben Auszeichnungen, um diejenigen zu feiern, die Tugenden aufweisen, für deren Förderung Universitäten existieren. In gewisser Hinsicht sind damit alle Titel, die eine Universität vergibt, Ehrentitel.
Verknüpft man Debatten über Gerechtigkeit mit Diskussionen über Ehre, Tugend und die Bedeutung von Werten, mag einem das wie ein sicheres Rezept dafür scheinen, sich hoffnungslos zu zerstreiten. Die Menschen haben unterschiedliche Vorstellungen von Ehre und Tugend. Die angemessene Zielsetzung sozialer Institutionen – seien es Universitäten, Firmen, das Militär, die akademischen Berufe oder die politische Gemeinschaft ganz allgemein – ist höchst umstritten. Folglich ist es reizvoll, eine Grundlage für Gerechtigkeit und Rechte zu finden, die sich von diesen Kontroversen fernhält.
Ein großer Teil der modernen politischen Philosophie bemüht sich genau darum. Wie wir gesehen haben, sind die Philosophien von Kant und Rawls kühne Versuche, eine Grundlage für Gerechtigkeit und Rechte zu finden, die neutral ist in Hinblick auf konkurrierende Visionen vom guten Leben. Es ist nun an der Zeit zu überprüfen, ob ihr Projekt erfolgreich
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