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Gerissen: Thriller (German Edition)

Gerissen: Thriller (German Edition)

Titel: Gerissen: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Abrahams
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nach der Highschool auf die schiefe Bahn geraten?«, fragte Ivy.
    »Schon lange vor der Highschool«, sagte der Trainer. »Vance hatte von Anfang an schlechte Karten.«
    »Reden Sie über sein Elternhaus?«
    Der Trainer nickte. »Aber es war nicht mal sein Elternhaus.«
    »Wie meinen Sie das?«
    »Der Junge hat seine Eltern verloren, als er acht oder neun war«, erzählte der Trainer. »Musste zu irgendwelchen Cousins oder so ziehen. Reiner Abschaum.«
    »Wie hat er seine Eltern verloren?«
    »Kamen bei einem Autounfall ums Leben.«
    »Auf der Ransom Road?«, fragte Ivy.
    »Ransom Road?«, wiederholte der Trainer, seine Stimme klang wieder normal. »Wie kommen Sie denn darauf?«
    »Ich muss was verwechselt haben.«
    »Bestimmt«, sagte der Trainer. »Der Unfall war in Kanada. Sie gerieten in einen dieser Eisstürme.«
    Teile von Harrows Geschichte setzten sich neu zusammen: Eissturm, aber nicht auf der Ransom Road; ein Haus, kein Wohnwagen; oben auf einem Hügel, nicht am Fuß.
    Ein Zitat von Picasso, das Professor Smallian zu Beginn jeden Semesters an die Tafel schrieb, tauchte in Ivys Gedanken auf, ein Zitat, an das sie sich Wort für Wort erinnern konnte: Zerstör das Ding, überarbeite es mehrmals. Mit jeder Zerstörung einer schönen Sache unterdrückt der Künstler sie nicht wirklich, sondern transformiert sie, kondensiert sie, verleiht ihr mehr Substanz.
    Was am Ende herauskommt, ist das Resultat verworfener Funde.
    »Deshalb«, fuhr der Trainer fort, »lebte Vance am Ende bei den Lusks.«
    »Den Lusks?«, wiederholte Ivy. »Marv Lusks Familie?«
    »Abschaum«, sagte der Trainer. »Schlicht und ergreifend.«
    »Könnten Sie mir ein Beispiel nennen?«
    »Vertrauen Sie mir«, sagte der Trainer. »Ein Wunder, dass er das heil überstanden hat.«
    »Nur ganz kurz«, sagte Ivy.
    »Sie sind Schriftstellerin – benutzen Sie Ihre Phantasie«, meinte der Trainer. »Aber ich könnte Ihnen ein Band zeigen.«
    »Band?«
    »Von Vance damals.« Der Trainer ging zu einem Regal, zog ein Video heraus und schob es in den Rekorder. »Unser Budget hier oben ist gleich null, entschuldigen Sie bitte die Qualität.« Er spulte vor. »Es ist das Thanksgiving, hier in der Gegend ein wichtiges Spiel.« Er ließ das Band jetzt in normaler Geschwindigkeit laufen: der Ball im Mittelfeld, Schneeflocken schwirrten durch die Luft. Eine Mannschaft in Dunkelrot und Grün hatte Startaufstellung eingenommen. West Raquette, orange von Kopf bis Fuß, löste sich aus dem Huddle. Der Center – ein riesiger Junge – beugte sich über den Ball.
    »Carter«, kommentierte der Trainer.
    Der Quarterback positionierte sich hinter dem Center. »Ferdie Gagnon, der wird bald Polizeichef werden«, sagte der Trainer, »aber damals war er nur einer mehr in einer Reihe von mittelmäßigen Quarterbacks, mit denen ich geschlagen bin. Und da an der Außenlinie, das ist Harrow.«
    »Nummer neunundneunzig?«
    »Ja«, bestätigte der Trainer. »Noch neununddreißig Sekunden, Angriff bei fünf.«
    Carter schob den Ball zu Gagnon, der rückwärts in den Schutz seiner Mitspieler lief. »Diesen Spielzug nennt man Goat Fortythree Slant«, sagte der Trainer. Sein Gesicht rötete sich ein bisschen: ein blödes Spiel, aber er liebte es trotzdem.
    Neunundneunzig rannte in einem diagonalen Muster ungefähr zehn Yards das Feld hinunter. Gagnon warf einen wackligen Pass, viel zu hoch, aber Neunundneunzig sprang und erwischte ihn, wechselte schon im Fall die Richtung, schoss an einem Tackle vorbei, wich einem zweiten aus und raste die Seitenlinie entlang.
    »Wow«, sagte der Trainer leise, wie zu sich selbst.
    Neunundneunzig lief mit langen, eleganten Schritten, die mühelos wirkten, aber Yard um Yard fraßen. Niemand kam an ihn heran. Touchdown. Neunundneunzig drehte eine Runde in der Endzone, ein Gruß an seine Mannschaftskameraden, die ins Bild drängten. Das Bild gefror; ein körniges Band, die Auflösung war nicht besonders, aber das Grinsen von Neunundneunzig war durch seine Schutzmaske zu erkennen.
    »Sind Sie sicher, dass das Harrow ist?«, erkundigte sich Ivy.
    »Hä?«, machte der Trainer.
    »Neunundneunzig.«
    »Sicher bin ich sicher«, erwiderte der Trainer. »Halten Sie mich für senil?«
    »Entschuldigung«, sagte Ivy. »Ich habe nur gemeint …« Was meinte sie?
    »Was?«, fragte der Trainer.
    »Ist ihm später irgendetwas Schlimmes zugestoßen?«, fragte Ivy.
    »Teufel, ja. Er ließ sich bei dem gottverdammten Überfall erwischen und ruinierte sein

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