Gerissen: Thriller (German Edition)
Höschens zur Seite. Aus ihrer Kehle drang ein Geräusch, ein Geräusch, das sie niemals zuvor von sich gegeben hatte, fast ein Knurren. Dann stieß sie auf ihn herab, nicht sanft, sondern brutal, in einer einzigen Bewegung bis nach unten, so dass sie seine Hüftknochen an der Innenseite ihrer Schenkel spürte.
Ivy kam sofort, kein Anlauf, gar nicht sie selbst. Dann wieder und wieder, gefolgt von einer winzig kleinen Pause, als ob irgendwelche inneren Zellen nach Luft rangen – und warum auch nicht, schließlich hatte es sich seit Wochen aufgestaut –, und dann wieder, wie eine Symphonie aus Höhepunkten. Seine Ketten klirrten, als er versuchte, die Arme um sie zu legen, es aber nicht konnte. Genau in diesem Augenblick, das metallische Geräusch noch in den Ohren, hatte Ivy ihren letzten Orgasmus, den heftigsten von allen, sehr dicht am Schmerz. Sein ganzer Körper wurde steif, und auch er gab ein leises Knurren von sich.
Sie fiel auf ihn, ihre Gesichter pressten sich aneinander, der Infusionsschlauch wickelte sich um ihr Bein. Sie atmeten. Ivy spürte Feuchtigkeit auf ihrer Haut. Sie öffnete ein Auge. Es war direkt neben seinem. Seines floss über. Auch sie begann zu weinen.
Ivy drückte ihren Mund an sein Ohr. »Alles wird gut, Baby.«
Was war das? Ein knarrendes Geräusch im Flur.
Taneesha steckte ihren Kopf durch die Tür.
»Alles in Ordnung da drin?«, erkundigte sie sich.
Ivy saß auf dem Stuhl, die Mappe auf ihrem Schoß verbarg die Tatsache, dass sie ihren Rock verkehrt herum trug. Harrow lag auf dem Bett, ordentlich zugedeckt.
»Bestens«, erwiderte Ivy.
Taneesha sah zu Harrow hinüber; ihre Aufmerksamkeit galt nicht so sehr ihm, sondern den Fesseln.
»Muss er so angekettet sein?«, fragte Ivy.
»Vorschrift«, antwortete Taneesha, »wenn die Fenster nicht vergittert sind.«
Ivy sah zu den Fenstern; schmierig, dick, mit Draht verstärkt, aber unvergittert. »Wir sind im zweiten Stock«, sagte sie.
»Das ist nichts«, meinte Taneesha. »Bald gibt’s Abendessen – möchten Sie auch was?«
»Nein, danke«, erwiderte Ivy.
»Es ist umsonst«, sagte Taneesha. Sie verließ das Zimmer. Ihr Stuhl knarrte.
Ivy stand auf, ergriff Harrows Hand. Sie war warm und trocken, die Handschelle kalt an ihrem Handgelenk. Ihr Herz klopfte wie verrückt. Sie wollte ihn einfach nur ansehen, sich sammeln, begreifen, in jeder Hinsicht, was soeben passiert war. Aber dafür blieb ihnen keine Zeit. Vielleicht wurde das auch Harrow bewusst.
»Warum sagst du, ich sei unschuldig?«, fragte er. Sein Ton war jetzt auf schwer zu beschreibende Art anders, fast so, als würden sie einander seit Jahren kennen.
»Das hab ich dir doch erzählt«, erwiderte Ivy. »Ich habe die Aufzeichnung aus dem Casino gesehen.«
»So? Und was beweist die?«
Schweigen. Auf seinem Handrücken, unter Ivys Finger, pulsierte eine Ader. Warum ihn nicht einfach wieder besteigen, jetzt sofort, und nur ein einziges Mal auf alles scheißen außer der Gegenwart? Ivy atmete tief ein.
»Möchtest du wirklich über das Video sprechen?«, fragte sie. »Okay. Erklär mir, warum du den alten Schwarzen so brutal schlagen musstest?«
Harrow starrte sie an.
»Den mit den Einkaufstüten«, fügte Ivy hinzu.
»Er war im Weg«, antwortete Harrow.
»Es gibt keinen Schwarzen auf dem Video«, sagte Ivy. »Weder mit noch ohne Einkaufstüten. Du warst nicht dort.«
Harrow lächelte, nur ein dünnes Lächeln, das sofort wieder verschwand.
»Gib es einfach zu«, sagte Ivy.
»Und dann was?«
»Wir können versuchen, den Fall wieder aufnehmen zu lassen«, sagte Ivy. »Aber es muss von dir ausgehen.«
»Niemals.«
»Willst du einfach aufgeben?«, fragte Ivy. »Ist dir nicht klar, was für eine Zukunft du haben könntest?«
»Welche Zukunft?«
»Mit deinem Talent«, sagte Ivy.
Er zog seine Hand weg. »Wie ich schon sagte, ich habe in letzter Zeit nichts geschrieben.«
»Das kommt wieder«, versicherte Ivy. »Erst recht, wenn du frei bist.«
Eine leichte Veränderung seines Blicks; kein Nachlassen seiner Kraft – eine Kombination aus animalischer und intellektueller, wie sie ihrer Erfahrung nach einzigartig war –, eher so, als würde sie auf etwas anderes gerichtet.
»Du weißt, dass das wahr ist«, sagte Ivy.
Sein Blick veränderte sich, er sah sie wieder. »In achtzehn Jahren wird es noch wahrer sein«, antwortete er.
Zu ihrer eigenen Überraschung wurde sie laut. »Was stimmt nicht mit dir?«, sagte sie. »Warum beschützt du sie?«
Harrow
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