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Gerissen: Thriller (German Edition)

Gerissen: Thriller (German Edition)

Titel: Gerissen: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Abrahams
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sagte Taneesha. »Eben weil Felix auf diese Weise endete.«
    »Bedeutet das nicht, dass die Latin Kings …«, begann Ivy.
    Der Doktor kam heraus und sah dabei auf seine Uhr.
    Ivy stand auf und stellte sich vor. »Ich unterrichte – unterrichtete – Kreatives Schreiben in Dannemora. Harrow war in meinem Kurs. Ich –«
    »Harrow?«, unterbrach der Arzt.
    »Der Patient«, sagte Ivy, deren Tonfall unwillkürlich schärfer wurde. »Ich mache mir Sorgen, wie es ihm geht.«
    »Alles in allem erstaunlich gut«, sagte der Arzt. »Physiologisch gesehen scheinen einige dieser Typen einer anderen Spezies anzugehören – eventuell ein Thema für eine Forschungsstudie. Ich denke, dass er morgen entlassen werden kann.«
    »Wohin?«, fragte Ivy.
    »Auf die Krankenstation des Gefängnisses«, sagte der Arzt. »Wenn er so weitermacht, kann er in ein oder zwei Tagen aufstehen.«
    »Gott sei Dank«, sagte Taneesha. »Ich dreh hier noch durch, Doc.«
    Der Arzt sah sich um. »Kann ich verstehen«, meinte er.
    Taneesha nahm ihre Schlüssel heraus und wandte sich an Ivy. »Ich kann Sie beide genauso gut zusammen hinauslassen«, sagte sie.
    »Aber …«, sagte Ivy.
    Taneesha tippte auf ihre Uhr.
    »Kann ich mich wenigstens verabschieden?«, bat Ivy.
    »Sie waren schon länger drin, als erlaubt.«
    »Zwei Minuten«, sagte Ivy.
    Taneesha musterte sie. Dann nickte sie und begleitete den Arzt zur Stahltür.
    Ivy ging zurück in Harrows Zimmer, konnte sich nur mühsam beherrschen, nicht zu rennen. Er saß jetzt aufrecht gegen die Kissen gelehnt.
    »Wo ist Mandrell?«, fragte er.
    »Dafür haben wir keine Zeit«, antwortete Ivy. »Sie schicken dich morgen wieder zurück.«
    »Montreal? Hast du ihn dort gefunden?«
    »Hörst du mir zu?«, fragte Ivy. »Morgen musst du wieder rein. Und Morales ist immer noch dort.«
    »Gut.«
    »Gut? Was redest du denn da? Begreifst du nicht? Du musst mir sagen, wo Betty Ann ist, und zwar sofort.«
    »Vergiss es«, sagte er.
    »Aber sie kann deine Unschuld beweisen«, drängte Ivy. »Du kannst frei sein.« Und lebendig.
    Harrow betrachtete sie. »Du bist sehr hübsch«, sagte er.
    Ivy trat vor und nahm sein Gesicht in beide Hände, nicht eben sanft. »Wo ist sie?«
    »Du findest sie nie.«
    »Warum nicht?«
    »Hat Frank es am Ende zu einer Stripteasebar gebracht?«
    »Das ist doch egal«, sagte Ivy. »Sie ist nicht bei ihm.« Im Korridor klirrten Schlüssel. Warum begriff er nicht? Er musste zurück. Die Latin Kings würden ihn fertigmachen. Würde sie ihn jemals wiedersehen? »Warum verrätst du es mir nicht?«, fragte sie und schüttelte ihn ein wenig. Dann verstand sie urplötzlich. »Du weißt nicht, wo sie ist. Ist es das?«
    In Harrows Augen lag ein abwesender Blick. »Ich weiß es«, sagte er.
    »Und warum kann ich sie nicht finden, wenn du es mir verrätst?«, fragte Ivy. Sie hörte Taneeshas Schritte, die näher kamen. »Bist du der Einzige, der es kann?«
    Harrow nickte, eine knappe Bewegung, beinah unsichtbar. Ivy ließ ihn los.
    Ihr Verstand raste, legte ein solches Tempo vor, dass sie kaum folgen konnte. Harrow war der Einzige, der Betty Ann finden konnte. Warum? Ivy wusste es nicht, aber Betty Ann zu finden war die einzige Möglichkeit, seine Unschuld zu beweisen. In diesem Moment wusste sie, was im Herzen einer gewissen Sorte Mensch vorgeht, die sie nie verstanden hatte: die Frau, die alles aufgibt, um Aids-Opfern in Afrika zu helfen, den Mann, der sich einem Panzer in den Weg stellt. »Wenn das so ist«, sagte sie, »komme ich und hol dich.« Und es musste in dieser Nacht sein.
    Ivy wartete seine Reaktion nicht ab. Sie schoss zum Fenster. Ein Schiebefenster: Sie öffnete den Riegel, schob das Fenster zwei Zentimeter hoch, gerade genug, damit sie die Finger hindurchschieben konnte.
    Hinter ihr sagte Harrow mit leiser Stimme ein Wort: »Bolzenschneider.«
    Ivy wusste das bereits, obgleich sie nie einen Bolzenschneider benutzt hatte, nicht mal den Begriff, sich keinen vorstellen konnte. Sie drehte sich um, verschränkte die Arme und setzte einen unschuldigen Blick auf.
    Taneesha trat ein, sah flüchtig zu Harrow und dann zu ihr. »Zeit«, sagte sie.

    Die bislang kälteste Nacht des Jahres. Es war windstill, aber hoch oben musste es kräftig wehen, denn eine massive Wolkenbank schob sich langsam über den sternenübersäten Himmel, als schlösse sich das Augenlid eines Riesen. Drüben auf der Vermont-Seite des Lake Champlain hatte Ivy einen Baumarkt gefunden, jetzt fuhr sie zurück nach

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