Gerissen: Thriller (German Edition)
warf einen Blick zur Tür. »Wen?«
Ivy senkte die Stimme. »Behandle mich nicht wie eine Idiotin«, sagte sie. »Betty Ann.«
Harrow antwortete nicht. Sein Schweigen versetzte sie in Wut.
»Warum begreifst du das nicht?«, drängte sie. »Du musst einfach nur sagen, wo sie ist.«
Schlüssel klirrten in der Stahltür. Harrow schwieg weiter.
»Du schuldest ihr gar nichts«, sagte Ivy. »Sie hatte eine Affäre mit Frank Mandrell.«
Keine Reaktion.
Schritte auf dem Linoleum vor der Tür.
»Den ich übrigens aufgespürt habe«, sagte Ivy.
Harrow setzte sich so schnell auf, dass seine Ketten sich spannten, jagte ihr beinah Angst ein.
Taneesha trat ein, gefolgt von einem unrasierten Mann mit Stethoskop um den Hals.
»Der Doktor ist da«, verkündete sie.
Siebenundzwanzig
I vy saß neben Taneesha im Korridor der ehemaligen Psychiatrie, während der Arzt Harrow untersuchte.
Taneesha gähnte und sah auf die Uhr. »Noch drei Stunden?« Sie schüttelte den Kopf, wie um wach zu werden. »Wissen Sie, was das Verrückte an diesem Job ist?«
»Was?«
»Wenn man im Dienst ist«, sagte Taneesha, »scheint die Zeit beinah zu kriechen, gerade so, als wäre man selber ein Häftling. Aber hat man frei, spult sie so schnell vor, dass man ganz nervös wird.«
»Was ist, wenn die Gefangenen entlassen werden?«, fragte Ivy. »Enden die dann auch ganz nervös?«
»Wer weiß?«, erwiderte Taneesha. »Sie bleiben ja nie lange draußen.« Sie griff zu dem Magazinstapel, zog sich eins heraus und reichte eins an Ivy weiter.
Ein Unterhaltungsmagazin mit dem Thema Hollywood. Ivy blätterte es durch, las nicht, betrachtete noch nicht mal wirklich die Bilder, ließ einfach nur alles an sich vorbeiziehen. Sie hätte ihn beinah übersehen. Aber da war er, unten auf Seite siebenundzwanzig, mit Adam Sandler neben einem Plastikflamingo. In der Bildunterschrift stand: Gleich und gleich: Adam Sandler und der heiße neue Drehbuchautor Joel Cutler verbünden sich auf dem Set von »Mit dem Hintern zuerst«.
»Mit dem Hintern zuerst«? Das war der Titel von Joels Drehbuch?
Adam Sandler lächelte breit. Joel auch. Die gelben Zähne des Flamingos waren ebenfalls zu einem Lächeln arrangiert. Im Hintergrund beugte sich eine Kellnerin mit einem Getränketablett über einen Tisch. Sie hatte eine Tätowierung auf der Schulter, etwas Rotes, vielleicht eine Blume.
Ivy drehte sich zu Taneesha. Deren Augenlider schon wieder schwer waren.
»Taneesha?«
Taneeshas Auge öffnete sich langsam. »Ja?«
»Ist Morales schon verlegt worden?«
»Meinen Sie, zurück in die Zelle?«, fragte Taneesha. »Soweit ich weiß, liegt er noch auf der Krankenstation.«
»Aber Sergeant Tocco hat gesagt, dass Morales in ein anderes Gefängnis verlegt wird«, sagte Ivy.
»Das höre ich zum ersten Mal«, meinte Taneesha.
»Wollen Sie damit sagen, das wird nicht passieren?«
Taneesha zuckte die Achseln. Sie schlug ein Magazin auf und zog einen Bleistift heraus. »Dreizehn senkrecht«, sagte sie. »Der Regisseur von Das Fenster zum Hof. Neun Buchstaben.«
»Hitchcock.«
»Stimmt.« Taneesha trug es ein. »Das wusste ich.«
»Hat man mittlerweile herausgefunden, wer Felix umgebracht hat?«, erkundigte sich Ivy.
»Nein«, erwiderte Taneesha. »Was ist ›Bergman-und-Boyer-Schauerfest‹? Acht Buchstaben.«
»Gaslicht«, sagte Ivy.
»Den kenn ich nicht«, meinte Taneesha. »Ist der gut?«
»Ja«, sagte Ivy.
Taneesha schrieb Gaslicht. »Kennen Sie den Direktor?«, fragte sie.
»Nein.«
»Er war stinksauer wegen Felix.«
»Hat er deswegen Schwierigkeiten bekommen?«
»Hä?«
»Der Direktor«, erklärte Ivy. »Weil ein prominenter Häftling in seiner Obhut ermordet wurde.«
»Felix war prominent?«, staunte Taneesha.
»In gewissen Kreisen.«
»Hier oben nicht«, sagte Taneesha. »Ein Häftling kann dem Direktor nur auf eine Weise schaden: wenn er entkommt. Das war die Sache mit Felix.«
»Ich verstehe nicht.«
»Die meisten Gefangenen sind ziemlich dumm, stimmt’s?«, sagte Taneesha. »Teilweise sind sie ja deshalb dort, wo sie sind. Felix war anders. Es ging das Gerücht, er hätte sich mit unserem Sicherheitssystem beschäftigt und eine Schwachstelle gefunden.«
»Felix plante einen Ausbruch?«, fragte Ivy.
»Nö«, erwiderte Taneesha. »Er wollte einen Handel.«
»Was für einen Handel?«
»Die Schwachstelle verraten und dafür im Gegenzug Bewährung.«
»Aber der Direktor lehnte ab? Wollen Sie das damit sagen?«
»Er bekam nie die Gelegenheit«,
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