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German Angst

German Angst

Titel: German Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Ani
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fragte Funkel. Niemand erwiderte etwas. Funkel faltete die Hände und blickte in die Gesichter seiner Kollegen. Schuldlos schuldig, dachte er, für alle Zeit.

20   17. August, 20.42 Uhr
    E r lächelte, ehe er hinausging, und schloss die Stahltür von außen ab. Nun war es vollkommen dunkel. Natalia saß auf einem Bett, das in einen Plastikbezug gehüllt war. Um sie herum hatte sie verschiedene Möbelstücke gesehen, Stühle, Tische, zwei Schränke, ein Regal und mehrere große Kartons. Der Kellerraum hatte kein Fenster. Wieder war sie an den Fußgelenken gefesselt, diesmal mit Handschellen. Die Augen hatte er ihr nicht verbunden und die Hände konnte sie frei bewegen. Doch wozu? Sie blieb einfach sitzen, so wie er sie hingesetzt hatte, nachdem er sie aus dem Kofferraum gezerrt und durch einen langen Kellergang geführt hatte. Sie trug ein weißes Männerhemd und eine dunkelblaue Männerhose, die sie vor seinen Augen hatte anziehen müssen. Sie war barfuß. Aber die Kälte des Steinbodens spürte sie nicht. Sie hatte keine Schmerzen mehr. Sie fühlte sich wie betäubt und vielleicht war sie das auch, vielleicht hatte er etwas in den Kaffee getan, den er sie aus einem Plastikbecher trinken ließ. Und dabei sagte er: »In der Hauptstadt der Bewegung gibts den schlechtesten Kaffee.« Sein Grinsen brannte sich in ihre Erinnerung wie ein verfluchtes Feuermal. Das hättest du nicht tun dürfen, dachte sie, und dann legte sie sich hin. Die Plastikplane knirschte und sie rollte sich zusammen und klemmte die gefalteten Hände zwischen die Knie. So beschloss sie – ohne zu denken: ich beschließe – aufzuhören, an die Liebe zu glauben. Es war, als wäre die Dunkelheit, in der diese Männer sie ausgesetzt hatten, wie Pech durch die Poren ihrer Haut gedrungen und hätte die Flügel ihres Herzens verklebt und zerstört, so wie das Öl der havarierten Schiffe die Vögel verenden ließ. Von dieser Stunde an wusste sie – ohne zu sagen: ich weiß –, dass sie nicht mehr schön, nicht mehr begehrenswert, nicht mehr nähefähig war. Sondern nur noch alt und allein.
    Sie lag da und lauschte. Etwas raschelte. Sie hob den Kopf. Plötzlich huschte etwas über sie hinweg und sie duckte sich erschrocken.
    Eine junge zitternde Katze rieb ihr Köpfchen an Natalias Hemd und schnurrte leise. Behutsam setzte Natalia sich auf und drückte das Tier an sich und streichelte es, sein ausgezehrter Körper war ein einziges erbarmungswürdiges Schlottern.
    Jetzt war sie froh, dass ihre Hände nicht gefesselt waren, sie kraulte das Tier und es schmiegte sich an sie und sie glaubte, seine Pupillen in der Dunkelheit funkeln zu sehen. Unter dem weichen Fell spürte Natalia das pochende Herz. Mit langsamen Bewegungen legte sie sich auf den Rücken, das Kätzchen am Hals, dessen Schnurren ihr wie das Echo des schwindenden Glücks erschien.
    Die Abmachung war: Filmaufnahmen, aber keine Interviews. Niemand würde im Flugzeug mit Nicole Sorek oder einem ihrer beiden Kollegen sprechen. Außerdem musste die Abreise absolut geheim bleiben. Nicole und Dieter Fromm, ihr Chef, akzeptierten die Bedingungen und wie Funkel erleichtert feststellte, hielten sie sich, soweit dies abzusehen war, auch deran. Das Fernsehteam wartete bereits am Franz-Josef-Strauß-Flughafen auf Christoph Arano und seine Begleiter. Anders als bei gewöhnlichen Abschiebungen würden diesmal keine Beamten des Bundesgrenzschutzes mitfliegen, sondern nur zwei Sanitäter und ein Hauptkommissar aus dem Dezernat 11: Tabor Süden.
    »Wie gehts dir?«, fragte er am Telefon.
    »Besser«, sagte sie. »Meine Träume fangen an, mich wieder zu mögen. Wo bist du?«
    »Am Neudeck. Ich fliege nach Lagos.«
    »Was?«
    »Ich begleite Arano und seine Tochter. Es war ihr Wille. Sie wollen Natalia Horn helfen. Wir konnten sie nicht davon abbringen.«
    »Aber du wirst sterben vor Flugangst!«
    »Das wär schlecht«, sagte er.
    »Wie lange dauert der Flug?«
    »Neun Stunden.«
    »Das stehst du nie durch.«
    »Ich hab mich entschieden.«
    »Natürlich«, sagte Sonja Feyerabend, »deine Entscheidungen sind deine Sache.«
    »Wenn du gesund wärst, würde ich dich mitnehmen«, sagte Tabor Süden.
    »Hast du wirklich keine Angst?«
    »Doch.«
    »Warum tust dus dann?«
    »Ich muss es tun.«
    »Das wird niemand in diesem Land beeindrucken«, sagte Sonja.
    Um 21.35 Uhr hob die Lufthansa-Maschine mit hundertzwanzig Plätzen vom Franz-Josef-Strauß-Flughafen ab, an Bord zwei Kapitäne, zwei Stewardessen, zwei Sanitäter,

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