German Angst
Arano, »natürlich, bitte…«
Lucy beugte tief den Kopf. Sie traute sich nicht recht. Dann traute sie sich doch. Mit geschlossenen Augen hörte Arano zu.
»Es tut weh wenn ich weine denn meine Tränen sind glühende Steine.
Ich fing einen Schmetterling als ich durch den Sommer ging.
Ich erkannte ihn gleich es war mein Freund er war warm und weich in meiner Hand.
Er ist mein zweites Ich er zappelt fürchterlich ich halt ihn über einer Kerze fest.
Ich wollte dass er stirbt damit mein zweites Ich verdirbt und später ich der Rest.
Doch plötzlich wurden meine Augen schwer und Tränen tropften heiß auf meine Wangen.
Den Schmetterling hielt ich gefangen und die Flamme sengte seine Flügel an.
Als aber meine Tränen auf die Kerze fielen erlosch aus Scham das dürre Licht und der Schmetterling flog schnell davon.
Denn sterben will er nicht.«
»Lucy«, sagte Arano. Mehr schaffte er nicht zu sagen. Es war wie damals, als seine Frau starb im weißen Bett im Krankenhaus. Die Worte stoben aus seinem Kopf oder zerplatzten vorher und aus seinem Mund kam nur ein staunendes Röcheln.
Hastig knüllte Lucy das Blatt zusammen und stopfte es in ihre Hosentasche. »Wir waren mit der Schule in einer Ausstellung im Haus der Kunst, da ist eine Figur gestanden, Amor, weißt du, und der ist traurig über seine Liebste, die Psyche. Die Lehrerin hat uns das nicht genau erklären können, aber mir hats gefallen. Ich fands stark, wie der da sitzt und sich die Augen reibt, das war schön, das hab ich schon verstanden.«
»Lucy…«, fing Arano wieder an.
»Hey«, sagte sie, »so traurig ist das Ganze auch wieder nicht. Hey!« Sie wischte ihm übers Gesicht, und er wünschte, die Zeit hätte Nachsicht und würde stillstehen, nur für sie beide, für jetzt, nur für diese Berührung ihrer kalten Hand, und noch eine Weile und noch…
»Die Zeit ist um!«
Gieseke stand in der Tür. Sofort verfiel Lucy in Schweigen.
»Wir haben Ihnen etwas zu sagen.« Arano hatte sich wieder gefasst. Er nahm Lucys Hand und sie gingen auf den Flur hinaus.
»Das ist unmöglich«, sagte Staatsanwalt Ronfeld, nachdem Arano zu Ende gesprochen hatte. »Darüber können Sie gar nicht entscheiden.«
»Das kann ich«, sagte Arano, »und wie ich schon Herrn Süden gesagt habe, wollen wir noch heute Abend fliegen. Bitte organisieren Sie alles! Ich möchte, dass meine Verlobte so schnell wie möglich freikommt…«
»Das wollen wir alle«, sagte Rechtsanwalt Fischer.
»Aber wir geben doch jetzt nicht klein bei…«
»Akzeptieren Sie unsere Entscheidung und treffen Sie die nötigen Vorbereitungen!« Arano hielt seine Tochter noch immer an der Hand und spürte den Druck ihrer Finger und die Kraft ihrer Berührung.
»Nein!«, sagte Ronfeld.
»Dann wenden wir uns an die Presse: dass Sie etwas boykottieren, was Sie doch längst schon beschlossen haben, nämlich meine Tochter aus Deutschland auszuweisen.«
»Vorher muss das KVR erst die Verlängerung der Aufenthaltsgenehmigung ablehnen«, sagte Ronfeld, »und so weit ist man dort noch lange nicht.«
»Was meinen Sie dazu, Herr Süden?«, fragte Gieseke.
»Sie sollten noch warten«, sagte der Hauptkommissar zu Arano. »Es gibt neue Spuren, wir haben die Namen von Männern, die an der Entführung beteiligt sind, es kann sein, dass noch heute Abend eine Wende eintritt.«
»Die Wende beginnt jetzt«, sagte Arano.
»Wir wollen, dass Sie einen Appell an die Entführer richten«, sagte Fischer, »das sollten wir auf jeden Fall probieren. Sie können jetzt nicht aufgeben, Herr Arano! Sie müssen stark sein! Die Polizei findet Ihre Freundin.«
Arano wandte sich an Tabor Süden. »Bringen Sie mich nach Hause! Ich hole ein paar Sachen, dann komm ich wieder hierher. Heute Abend fliegen wir. Und ich will, dass Sie die Presse darüber informieren. Ein Fernsehteam soll mitfliegen, das uns filmt, wenn wir in Lagos ankommen.«
»Sie torpedieren die Ermittlungen, Herr Arano«, sagte Ronfeld wütend, »und das werde ich nicht zulassen.«
»Sie lassen es zu, das weiß ich.«
Der Staatsanwalt drehte sich um und verließ die Gruppe. Vor der Tür des Gefängnisses sagte Sebastian Fischer zu Süden: »Obwohl ich ohnmächtig bin, hab ich das Gefühl, versagt zu haben.«
Süden schloss die hintere Tür des Taxis, in das Arano gestiegen war. »Das ist ein richtiges Gefühl«, sagte er und nahm neben dem Fahrer Platz.
Der Regen hatte aufgehört, inzwischen schien die Sonne wieder.
Arano blickte aus dem Wagenfenster und
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