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German Angst

German Angst

Titel: German Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Ani
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drei Passagiere und ein Fernsehteam, das gefilmt hatte, wie Christoph Arano und seine Tochter Lucy einstiegen und sich in der letzten Reihe nebeneinander hinsetzten. Fünf Minuten nach dem Start schickte Nicole Sorek die ersten Live-Bilder an ihren Sender, der sie sofort übertrug. Die Einschaltquote stieg im Verlauf des Flugs auf einen Marktanteil von fünfzig Prozent. Während der ersten Stunde sprach niemand ein Wort. Dann teilte der Kapitän mit, dass die Münchner Polizei das Auto von Josef Rossi entdeckt hatte, von ihm selber fehlte weiterhin jede Spur.
    In diesen Minuten stieg viereinhalbtausend Kilometer Luftlinie von der bayerischen Landeshauptstadt entfernt ein Mann namens Clarence Toby in seinen alten Mercedes und fuhr zur Geburtstagsparty seines besten Freundes. Diesen Tag sollte er nie mehr vergessen.

21   18. August, 00.17 Uhr
    I n der Werbepause klingelte das Telefon von Jens Zischler. Sofort nahm er den Hörer ab.
    »Hallo?«
    Es war seine Freundin Ellen.
    »Ich mach Schluss mit dir«, sagte sie.
    Der zweite Geschäftsführer des Kaufhauses am Stachus, der eine Narbe am Kinn hatte, schwieg.
    »Wenn ich das im Fernsehen seh und an dich denk, muss ich kotzen.«
    »Hab, hab… was hab ich denn damit zu tun?«, sagte er undeutlich.
    »Feigling!«, sagte sie. »Ruf mich bitte nicht mehr an! Ich bin auch ab morgen zwei Wochen verreist und ich…«
    »Wo fährst du denn hin?«
    »… ich schick dir deinen Wohnungsschlüssel mit der Post.«
    Dann legte sie auf. Verstört behielt Zischler den Hörer in der Hand.
    Im Fernsehen priesen zwei Yuppies einen Schokoladenfinger als Praline an.
    Zum Glück hatte sie noch eine Flasche Wodka im Kühlschrank. Sonst hätte Helga Ries seinen Anblick nicht ertragen. Als sein Foto zum ersten Mal gezeigt wurde, sprang sie von der Couch hoch. Mit diesem Mann hatte sie geschlafen, dieser Mann hatte sie behandelt wie einen Putzlappen und sie hatte sich von ihm so behandeln lassen. In Badeschlappen, die an ihren nackten Sohlen schmatzende Geräusche machten, rannte sie in die Küche und trank den ersten Schluck aus der Flasche.
    Sie hatte immer geahnt, dass mit Josef Rossi etwas nicht stimmte. Aber dass er ein Entführer und mutmaßlicher Mörder war, brachte sie völlig aus der Fassung. Sie fing an Staub zu saugen, erst im Wohnzimmer, dann im Schlafzimmer, dann wieder im Wohnzimmer, obwohl sie das erst am Abend getan hatte. Dann setzte sie sich wieder auf die Couch, goss Wodka in ein Schnapsglas und trank es in einem Zug aus. Je länger sie die Berichte im Fernsehen verfolgte, desto panischer fragte sie sich, wie sie nur auf diesen Kerl hatte hereinfallen können.
    Helga Ries wünschte, sie wäre nicht allein und könnte mit jemandem sprechen.
    »Ich werde mein Mandat niederlegen«, sagte Dr. Sebastian Fischer zu Sandra, die sich schräg vor ihm auf einem Stuhl fläzte. Seit drei Stunden saßen sie vor dem Fernseher und Sandra hatte mehrmals gesagt: »Ich find das schlimm mit der Entführung, aber das Mädchen ist da unten in Afrika vielleicht wirklich besser aufgehoben, das entspricht vielleicht mehr ihrer Mentalität da unten.«
    Der Rechtsanwalt hatte aufgehört zu widersprechen. Er hatte Sandra vor zwei Tagen im Gerichtsgebäude kennen gelernt, sie musste als Zeugin aussagen und fragte ihn nach dem Weg. Sie verabredeten sich zum Mittagessen und gingen anschließend zusammen ins Bett. Er wusste nicht, wie alt sie war – er schätzte sie auf Ende zwanzig – und er verstand nicht, was er noch mit ihr zu schaffen hatte. Mit ihrer oberflächlichen lauten Art erinnerte sie ihn ständig an sein Versagen als Anwalt, der zuließ, dass eine ganze Nation seine Mandantin mit Harne und Hass überschüttete.
    »Warum denn, Wastl?«, fragte sie ihn. Hatte er ihr wirklich erlaubt, ihn Wastl zu nennen? Wann?
    »Weil ich versagt habe«, sagte er, verzog das Gesicht und hielt die Hand an die Wange.
    »Beim nächsten Mal hast du mehr Glück«, sagte sie, drehte sich zu ihm um und formte ihren Mund zu einem Kuss. Was sollte er tun? Er beugte sich vor und küsste sie.
    »Lass uns ins Bett gehen«, sagte sie, »das dauert doch noch ein paar Stunden, bis die da unten sind.«
    Fast hätte Fischer seinen Widerwillen überwunden und bei seinem Tischtennispartner angerufen, um mit ihm drei klare Gedanken auszutauschen, auch wenn sie gewiss nicht einer Meinung wären. Er dachte noch darüber nach, da kniete Sandra schon vor ihm und knöpfte ihm das Hemd auf. Seine Zahnschmerzen wurden immer

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