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Germania: Roman (German Edition)

Germania: Roman (German Edition)

Titel: Germania: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harald Gilbers
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in Bereitschaft.«
    Es folgten Bilder von Soldaten, die durch die Korridore des Atlantikwalls liefen. Ein nächtliches Artilleriegefecht wurde gezeigt, bei dem Oppenheimer nicht viel mehr erkennen konnte als die leuchtenden Spuren der Geschosse. Das Dröhnen der Geschütze erklang, eine Explosion flammte auf. So weit waren die gezeigten Aufnahmen nicht ungewöhnlich, doch die nächste Szene ließ die Zuschauer erstarren. Die Aufnahmen hatte jemand mit der Fernkamera gemacht, kurz bevor die Invasion begonnen hatte. Es waren nur zwei Kameraeinstellungen, die gezeigt wurden, doch diese wenigen Sekunden ließen Oppenheimer den Atem stocken.
    Er sah den Atlantik. Auf den Wellen tanzten keine Schaumkronen, sondern Megatonnen von Eisen. Der Horizont schien gänzlich von Schiffen ausgefüllt zu sein. Dann sah man nichts weiter als feuernde Geschütze, Flammen aus Feuerwerfern, Unmengen von Rauchschwaden. Was am Strand geschehen war, wurde nicht gezeigt, nur leere Landungsboote, während der Sprecher kommentierte, dass ihre Besatzungen vernichtet oder gefangen genommen wären. Danach kamen Bilder von zerschellten Lastenseglern, Fallschirmen, die in Bäumen hingen, von der zerstörten Stadt Caen, von gefangenen Angreifern und dazwischen immer wieder Aufnahmen von deutschen Soldaten, die alles im Griff zu haben schienen. Nach einer Weile hörte Oppenheimer kaum noch auf die Stimme des Sprechers, die blechern aus dem Lautsprecher tönte. So etwas hatte er noch nie in seinem Leben gesehen. Es war egal, wie der Kommentar der Wochenschau zu diesen Geschehnissen lautete, die Wucht, die diesen Bildern innewohnte, machte jede Verharmlosung sinnlos.
    Die Gegenspieler der Nationalsozialisten schienen über unerschöpfliche Reserven zu verfügen, besaßen genügend Waffen und kannten offensichtlich keinen Benzinmangel. Die Völker der restlichen Welt hatten genügend Söhne, die an diesen Ufern der Freiheit ihr Blutopfer brachten. Oppenheimer spürte geradezu körperlich, wie das Kinopublikum von einer eisigen Beklommenheit erfasst wurde. Auch Lisa hatte vor Aufregung seine Hand ergriffen. Die Menschen starrten entsetzt auf die Leinwand.
    Erst einige Minuten nachdem die Berichterstattung vorbei war, wagten die Ersten, sich wieder zu regen. Mehrere Zuschauer verließen ihre Plätze und kümmerten sich nicht um das Hauptprogramm, das gleich anlief. In der Sitzreihe vor Oppenheimer erklang ein leises Flüstern.
    »Weißt du schon, dass es bald mehr Butter gibt?«
    »Nö, wieso?«
    »Weil die Führerbilder alle entrahmt werden.«
    Die übliche Reaktion auf solch einen Witz blieb aus. Kein Kichern, nur ein zustimmendes Brummen war zu hören.
    Verstohlen fischte Oppenheimer den Briefumschlag aus der Innentasche seiner Jacke. Das Licht, das die Leinwand reflektierte, reichte gerade so aus, um die Sätze lesen zu können.
    Hilde hatte ihm die Nachricht geschickt. Doch was konnte so wichtig sein, dass sie ihm extra einen Brief geschrieben hatte? Er hielt das Papier dicht vor seine Augen.
    Ich muss mit Dir reden. Es ist wirklich äußerst wichtig. Komme Samstag um ein Uhr nachmittags zu mir. Mehr stand nicht darauf. Unterschrieben war nur mit »H«.

    Die Sirenen heulten. Traudel Herrmann betrat die nächtliche Straße, auf ihren hohen Absätzen unsicher schwankend.
    »Und du willst sicher nicht in unseren Bunker?«, fragte Marga, die Frau von Gruppenleiter Kriegler. Sie hatten einen feuchtfröhlichen Abend hinter sich. Die anderen Gäste waren bereits gegangen, doch Traudel blieb wie üblich bis zum Schluss. »Wir können auch in den Keller«, meinte Marga. »Der ist sicher. Stahlbeton. Da können wir es uns noch gemütlich machen.«
    Traudel schüttelte den Kopf. »Ist besser, wenn ich daheim bin, wenn Rainer zurückkommt. Er musste zu einer Besprechung und wusste nicht, wie lange die dauern würde.« Natürlich wusste Traudel, dass er gelogen hatte. Rainer hatte ein Verhältnis mit einer anderen Frau. Sie hatte die verräterischen Zeichen gesehen, ein fremder Lippenstift am Hemdkragen, ein Mal Kratzspuren auf seinem Rücken. Er konnte es ihr nicht verheimlichen, selbst wenn er es versuchte. Doch es war ihr egal, welche Schlampe ihr Mann gerade besprang. Das Leben mit ihm bot Annehmlichkeiten genug, so dass sie über dieses kleine Detail hinwegsehen konnte. Außerdem war Rainer in dieser Beziehung ja ebenso tolerant.
    Etwas in Margas Blick sagte, dass ihre Freundin sie nicht so ohne weiteres gehen lassen wollte. »Es ist gefährlich. Bleib

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