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Germania: Roman (German Edition)

Germania: Roman (German Edition)

Titel: Germania: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harald Gilbers
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Spaltbreit offen stand. Das Licht des Flurs fiel auf die Straße. Marga dachte missmutig daran, wie nachlässig sie war. Sie hatte völlig den Verdunklungsbefehl vergessen.
    »Warten Sie hier.« Sie lehnte den Mann gegen den Hauseingang. Und stutzte. In dem schwachen Lichtschein kamen ihr die Gesichtszüge irgendwie bekannt vor. Sie ging zur Haustür und öffnete sie entgegen aller Luftschutzbestimmungen.
    Als der Schein der Lampe das Gesicht des Mannes erhellte, erstarrte Marga. Ihre Augen weiteten sich ungläubig. Natürlich, sie kannte ihn. Es war Gustav, Traudels Chauffeur.
    »Gustav, was machen Sie denn hier?« Eilig stieg sie die Stufen zum Hauseingang wieder hinunter, um ihn zu mustern. An seinem Hinterkopf war Blut. Jemand hatte ihn niedergeschlagen.
    Marga blickte verwirrt in die Richtung, in der ihre Freundin soeben verschwunden war. Wenn Gustav hier war, wer hatte dann am Steuer des Wagens gesessen? Sie spürte, wie sich etwas in ihrem Inneren zusammenzog. Nun machte sie sich ernsthafte Sorgen um Traudel.

    Als Oppenheimer vor Hildes Haus stand, zeigte seine Uhr Viertel vor eins an. Er war zu früh, doch er wollte nicht länger warten. Kurzentschlossen klopfte er an die Tür des Nebengebäudes, in der Hildes Wohnung lag. Nach wenigen Sekunden öffnete sie. Ihr Blick verriet, dass sie ihn noch nicht erwartet hatte.
    »Oh, du bist schon da«, sagte Hilde und warf einen Blick auf die Straße.
    »Es hat mich niemand verfolgt«, beschwichtigte Oppenheimer.
    »Na, dann komm erst mal rein.«
    Nachdem er seinen Mantel abgelegt hatte, standen sie sich verlegen gegenüber. Dann meinte Hilde: »Scheiß Wetter, nicht wahr?«
    »Ich hoffe, der Sommer bleibt nicht so regnerisch.«
    »Ich nehme an, du möchtest keinen Schnaps?« Hilde ging durch den Behandlungsraum ins Wohnzimmer.
    »Ein Kaffee wäre mir lieber. Das heißt, falls du gerade welchen übrig hast.«
    »Natürlich, kommt sofort.« Sie schien froh zu sein, in der Küche verschwinden zu können. Oppenheimer stand da wie bestellt und nicht abgeholt. Dann erblickte er sein Grammophon und die Schallplattensammlung. Ihm war heute nach Johann Sebastian Bach zumute. Er suchte eine Aufnahme der sogenannten Kaffeekantate aus. Dies schien ihm zu der Situation zu passen. Dass der eigentliche Titel Schweiget stille, plaudert nicht hieß, war eine Ironie, die Hilde sicher nicht zu schätzen wusste. Sobald die ersten Klänge aus dem Trichter ertönten, stellte sich Oppenheimer in die Küchentür und fragte: »Also, weswegen hast du mich kommen lassen? Was gibt es Wichtiges?«
    Hilde goss dampfendes Wasser in den Kaffeefilter, dann antwortete sie: »Es gibt da ein paar Sachen, die du über die tote Hure wissen solltest, die ihr in Steglitz gefunden habt.«
    Oppenheimer schaute überrascht auf. »Hilde, woher weißt du das?«
    »Du hast keine Ahnung, was ich alles in Erfahrung gebracht habe.« Während der Kaffee durchlief, lehnte sie sich an den Küchentisch und verschränkte ihre Arme. »Richard, ich muss es gestehen. Ich habe gewisse Leute eingeweiht. Verstehe mich richtig, es ging nicht darum, dich zu überwachen. Doch als ich erfuhr, dass die Mordopfer alle in der einen oder anderen Weise mit der Partei oder mit Parteifunktionären zu tun hatten, blieb mir keine andere Wahl. Du musst mir vertrauen. Der Fall ist politisch brisant und könnte für dich gefährlich werden. Ich wollte wissen, was da gespielt wird, deswegen habe ich mich an Kenner der Materie gewandt.«
    Oppenheimer wollte fragen, wen sie damit meinte, als es an der Hintertür klopfte. »Ich nehme an, das sind die beiden«, sagte Hilde und verließ die Küche, um zu öffnen.
    Im Behandlungszimmer waren Stimmen zu hören. Hilde sprach mit den Neuankömmlingen, dann erschienen sie im Wohnzimmer. Zwei Männer im Anzug. Während die Kleidung als unauffällig gelten konnte, ließ sich dasselbe von ihren Trägern nicht unbedingt behaupten. Hilde stellte ihre Gäste einander vor. »Das ist Kommissar Oppenheimer.«
    »Lüttke«, sagte der große Mann mit der runden Brille und gab Oppenheimer die Hand. Seine Bewegungen waren exakt. Oppenheimer vermutete einen militärischen Hintergrund. Dann reichte ihm der zweite Mann die Hand. »Bauer«, sagte er und nickte zur Bekräftigung. Der Herr namens Bauer war eher von gedrungener Statur. Auch seine eleganten Bewegungen standen in auffälligem Kontrast zu denen seines Partners. Seine linke Wange zierte ein sogenannter Schmiss, eine alte Fechtnarbe, die eine tiefe Furche

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