Germania: Roman (German Edition)
hielt es für meine Pflicht, das zu melden.«
»Aber zumindest meinen Namen hat er Ihnen genannt, sonst hätten Sie mir nicht diesen Brief schreiben können.«
»Ich habe ihn wohl aufgeschnappt.« Schuldbewusst blickte Billhardt Vogler an. »Aber ansonsten weiß ich nichts von dem Fall, den er da gerade bearbeitet. Darauf leiste ich einen Eid auf den Führer, Hauptsturmführer Vogler.«
Vogler legte seine Stirn in Falten und ging mit gesenktem Kopf einige Schritte auf und ab. »Weiß sonst noch jemand davon?«
»Ich habe mich direkt an meinen Vorgesetzten gewandt.«
Vogler blieb stehen und schaute Billhardt an. Ein gewisser Zweifel spiegelte sich in seiner Miene. Billhardt versuchte mit aller Macht, seine Augen zu kontrollieren. Er wusste, dass er den Blick nicht abwenden durfte, wenn er Vogler von seiner Geschichte überzeugen wollte. Schließlich sagte der Hauptsturmführer: »Sehr gut, Sie haben völlig richtig gehandelt, Billhardt.« Zur Bekräftigung trat er an Billhardt heran und klopfte ihm auf die Schulter. »Es wäre gut, wenn jeder so aufmerksam wäre wie Sie. Sehen Sie, ich habe nämlich eine ganz besondere Aufgabe. Der Fall unterliegt momentan der Geheimhaltung. Ob die Fahndungserfolge später der Öffentlichkeit mitgeteilt werden, steht noch nicht fest. Es obliegt auch nicht mir, darüber zu entscheiden. Meine Anweisung ist, sicherzustellen, dass alle etwaigen Verbindungen, die zwischen dem Mordfall und unserer Partei bestehen, nicht publik werden. Verstehen Sie, was ich meine?«
Billhardt nickte. Er hatte nur allzu gut verstanden.
»Es steckt mehr hinter diesem Fall, als man auf den ersten Blick erkennen kann. Möglicherweise sind Staatsfeinde am Werk. Sie haben ein Interesse daran, dass die Partei kompromittiert wird. Wahrscheinlich fabrizieren sie Beweise, damit es so aussieht, als würde der Täter aus unseren Kreisen stammen. Selbst eine Andeutung oder ein Gerücht könnte der nationalen Erhebung einen großen Schaden zufügen, gerade in Zeiten wie diesen. Sie verstehen, dass Sie über diese Angelegenheit absolutes Stillschweigen zu bewahren haben?«
»Natürlich«, erwiderte Billhardt automatisch. »Niemand wird etwas von mir erfahren.« Innerlich atmete er auf. Zum Glück hatte der Hauptsturmführer bestätigt, dass er sich korrekt verhalten hatte. Somit konnte ihm nichts mehr passieren. Und dennoch spürte er diese gewisse Unruhe, die ihn in den letzten Stunden immer wieder beschlichen hatte. Konnte man sein Verhalten als Verrat an Oppenheimer werten? Er beruhigte sein Gewissen, indem er sich sagte, dass er es nicht persönlich gemeint hatte. Er hatte lediglich getan, was ein guter Deutscher tun musste. So einfach war das. Billhardt sagte sich, dass es nicht sinnvoll war, darüber noch weiter nachzudenken.
Obwohl Oppenheimer das unverhoffte Glück hatte, dass die Telefonleitungen an diesem Tag funktionierten, konnte er Vogler in Zehlendorf nicht erreichen. Der Funker, der im Keller des Häuschens die Stellung hielt, hatte ihm zugesichert, dass er den Hauptsturmführer sofort verständigen würde und Verstärkung auf dem Weg sei.
Unruhig ging Oppenheimer im Dunkel des Hauseingangs auf und ab, den Blick dabei auf das gegenüberliegende Gebäude gerichtet. Er hatte sich unverzüglich nach Köpenick begeben. Zwar konnte er ohne Vogler nicht viel ausrichten, doch er wollte einfach auf Nummer sicher gehen und Zieglers Wohnort bewachen, damit dieser ihnen nicht durch die Lappen ging. Nicht jetzt, nicht nach all den Mühen, die es ihn gekostet hatte, endlich einen Hinweis darauf zu finden, wie man die Mordopfer miteinander in Verbindung bringen konnte. Hoffmann stand irgendwo auf der Rückseite des Gebäudes und bewachte die Hinterausgänge. Sie konnten jetzt nur warten, bis Vogler mit seinen Männern eintraf.
In Situationen wie diesen dehnte sich die Zeit unerträglich. Eine halbe Ewigkeit verging, bis er endlich Voglers Daimler sah. Das Fahrzeug hielt in einigen Dutzend Metern Entfernung an. Zusammen mit Vogler stiegen drei Männer in Zivil aus. Oppenheimer trat aus dem Hauseingang und näherte sich der Gruppe.
»Karl Ziegler heißt er«, raunte Oppenheimer. »Er wohnt als Untermieter bei dem Inhaber der Autowerkstatt, Herrn Braun. Es ist wahrscheinlich, dass Ziegler die Opfer kannte.«
Vogler sog geräuschvoll die Luft ein. »Na schön, dann wollen wir mal.«
Sie überquerten die Straße. Die Einfahrt zur Werkstatt stand offen. Noch ehe sie die Garage erreichten, kam ihnen bereits ein
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