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Germania: Roman (German Edition)

Germania: Roman (German Edition)

Titel: Germania: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harald Gilbers
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wir werden in der Kameradschaftssiedlung untergebracht?«
    »Tja, vom Regen in die Traufe. Sie haben gerade wohl nichts anderes zur Verfügung. Aber es wird dir hier gefallen. Trotz der Nachbarschaft.« Er zwinkerte ihr zu. »Dort drüben ist es«, sagte er und zeigte zu dem Häuschen hinüber.
    Zwar brachte es Oppenheimer kaum übers Herz, Lisas Illusion zu zerstören, doch er hielt es für angebracht, sie behutsam zu warnen. »Denk daran, es ist vermutlich nur für eine Woche. Ich rechne nicht damit, dass sie uns danach weiter hier wohnen lassen. Selbst, wenn wir den Täter bis dahin aufspüren.«
    »Dann nehme ich es als Urlaub«, sagte Lisa und blickte ihm ins Gesicht.
    »Ja, machen wir Urlaub«, sagte Oppenheimer. Mit einem Seufzer fiel die ganze Last der letzten Wochen von seinen Schultern. Er nahm Lisa bei der Hand und führte sie zur Haustür.
    Im Flur stolperte Oppenheimer fast über ihre drei Koffer, die jemand dort abgestellt hatte, als auch schon aus dem Keller Schritte die Treppe hochpolterten. Der akkurate Scheitel des Funkers tauchte auf. »Entschuldigung, ich hatte noch nicht die Möglichkeit, die Koffer hochzubringen«, sagte er, klemmte eifrig eines der Gepäckstücke unter seinen Arm und schnappte sich gleich auch die Griffe der beiden anderen. »Oben gibt es zwei Schlafzimmer.« Dann schleppte er die Last ins obere Stockwerk.
    Lisa lächelte, verwundert darüber, dass sie hier sogar einen eigenen Portier hatten. »Es ist schon lange her, dass uns jemand die Koffer getragen hat.«
    Oppenheimer grinste. »Und das Beste dabei, er will noch nicht mal ein Trinkgeld.«
    Im oberen Stockwerk gab es ein Badezimmer und zwei Schlafräume. Eilfertig bot sich der Funker sogar an, ihre Koffer auszupacken, doch das war Lisa zu viel der Aufmerksamkeit. Sie hatte sich schon immer ein Eigenheim gewünscht, aber Oppenheimer hatte nie so viel Geld auf der hohen Kante gehabt, um sich eines leisten zu können. Als er seine Frau in der neuen Umgebung sah, wurde ihm bewusst, dass dieses Haus Lisas Ideal schon fast beängstigend nahekam.
    Sie inspizierten die Schlafzimmer. Der zweite Raum war größer und hatte ein Doppelbett. Sogar das Bett war bereits bezogen. »Mal sehen, wie die Matratzen sind«, sagte Oppenheimer, schlüpfte aus seinen Schuhen und streckte sich auf dem Bett aus. Sein Rücken hatte einen solchen Komfort in den letzten Jahren bitter vermisst. Die Schlafgelegenheiten in den Judenhäusern waren nicht halb so weich, und in der letzten Zeit hatten sie sowieso ihre Nächte meistens wegen Bombenalarm auf dem harten Kellerboden verbringen müssen. Er wollte sich gerade entspannt räkeln, als er Lisas missbilligenden Gesichtsausdruck sah.
    »Da vergeht einem doch alles«, sagte sie und stemmte ihre Hände in die Hüfte. Doch sie blickte nicht Oppenheimer an, sondern fixierte eine Stelle, die sich irgendwo über ihm befand. Suchend folgte er ihrem Blick und entdeckte ein gerahmtes Bild, dass direkt über dem Kopfende des Bettes hing. Neugierig musterte er den verglasten Rahmen, doch aus seiner Position sah er nicht viel mehr als die helle Reflexion des Fensters. Er richtete sich auf, in der Erwartung, ein Heiligenbild zu sehen, als ihn plötzlich Reichsführer-SS Heinrich Himmler durch seine Brillengläser anstarrte.
    Oppenheimers Schock saß tief. »Also irgendwo hört es wirklich auf«, schnaubte er. Ob Himmlers Bild an diesem Platz hing, um seine Untergebenen zum Kinderzeugen für Volk und Vaterland anzuspornen? Oppenheimer bezweifelte, dass diese Strategie erfolgversprechend war. »Wir sind wirklich vom Regen in die Traufe gekommen«, sagte er und drehte das Bild des sogenannten Reichsheinis zur Wand.
    »Warne mich lieber gleich«, sagte Lisa. »Gibt es in dem Haus noch andere Photographien von irgendwelchen Parteibonzen?«
    »Das ist noch gar nichts. Wir haben hier das komplette Schreckenskabinett«, flunkerte Oppenheimer. »Über dem Volksempfänger hängt ein Bild von unserem speziellen Freund Goebbels. Und dann gibt es noch eines, auf dem Göring wie ein Presssack in eine Uniform gestopft ist. Was meinst du, wo das hängt?«
    »Lass mich raten, in der Speisekammer?«
    Oppenheimer nahm ein ungewohntes Geräusch aus Lisas Kehle wahr. Sie lachte.

    Diesmal wollte sich Vogler vom Sekretär nicht aufhalten lassen. Eilig durchschritt er die Gänge, die Polizeiakte von Lutzow unter seinen Arm geklemmt. Endlich war er sich sicher genug. Er hatte jetzt alles beisammen, um sich aus der Affäre zu ziehen und die

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