Germania: Roman (German Edition)
müssen noch weitere Frauen dran glauben, und ich bin schuld. Verstehst du nicht? Es ist wieder Wochenende. Bestimmt hat er schon ein weiteres Opfer entführt und quält es gerade. Es wird kein Ende nehmen, wenn ich nicht handle.«
Er konnte an Hildes Gesicht ablesen, dass ihr diese Sicht der Dinge nicht gefiel, doch schließlich fügte sie sich. »Na ja, dann gibt es wohl nichts mehr zu diskutieren.«
Oppenheimer beugte sich vor und sagte zu Lüttke: »Also, was meinen Sie? Ich beschaffe Ihnen die Informationen, und Sie helfen, den Täter dingfest zu machen. Ein einfacher Handel.«
»Ich bin dabei«, erwiderte Lüttke, ohne zu zögern.
»Na, meinetwegen«, knurrte Bauer.
Nachdem sie in die Kameradschaftssiedlung zurückgekehrt waren, betrat Oppenheimer zum letzten Mal das Haus. Als er überlegte, wo er den Abschiedsbrief hinlegen sollte, fiel sein Blick auf die Schautafel mit den Verdächtigen.
Spontan nahm er eine Reißzwecke und heftete das Blatt Papier genau in die Mitte. Doch als er zufrieden die Pinnwand musterte, stieg Unruhe in ihm auf. Er hatte noch etwas anderes hier im Haus zu erledigen, und das war der eigentliche Grund, weswegen er Lüttke zur Umkehr gedrängt hatte.
Zunächst versicherte er sich, dass ihm niemand ins Haus gefolgt war. Dann schlich er leise in die Küche. Er war nicht stolz auf das, was er jetzt tat, doch es ließ sich nicht vermeiden. Heute Abend musste er auf Draht sein, und es war ihm klar, dass er das nur mit Hilfe des Pervitins schaffen würde. Mit zwei geübten Griffen holte er die Medikamentenpackung aus ihrem Versteck und schluckte sofort eine der Tabletten, dann spülte er mit Wasser nach.
Es dauerte nicht lange, bis er die Wirkung spürte. Für einige Sekunden wog er ab, ob er die ganze Packung mitnehmen sollte, doch ihm war bewusst, dass Hilde das niemals erlauben würde. Bei diesem Gedanken ärgerte er sich, dass er nicht früher daran gedacht hatte, sie in seinem Koffer zu verstauen. Sehnsüchtig blickte er seinen Schatz zum Abschied an. Es war nicht zu ändern.
Dann füllte er sein Medikamentenröhrchen mit den Tabletten. Danach stopfte er auch noch seine Manteltaschen voll. Oppenheimer hoffte, dass Hilde nichts bemerken würde. Auf eine Moralpredigt konnte er an diesem Abend gut verzichten. Schließlich war er erwachsen und für sein Verhalten selbst verantwortlich. Plötzlich fand er sich erbärmlich. Natürlich bin ich nicht abhängig, beruhigte er sich selbst und starrte angewidert auf die weißen Pillen in seinen zitternden Händen. Ein kurzes Zaudern, dann fuhr er damit fort, Tabletten in seine Taschen zu stecken. Obwohl er es sich nicht eingestehen mochte, wusste er, dass er sie noch brauchen würde.
»Hier ist eine Abschrift von Karl Zieglers Verhörprotokoll. Der Fall ist aufgeklärt.« Vogler reichte Schröder das Dokument. Er glaubte, den gestrengen Blick des Oberführers sogar durch die Augenklappe zu spüren.
Schröder nahm kommentarlos die Papiere entgegen und ließ Vogler in Habachtstellung verharren, während er sich setzte und, die Lippen geschürzt, durch die Seiten blätterte. Obwohl das Protokoll nicht sehr ausführlich war, brauchte er dafür eine ganze Weile.
Sie befanden sich in der Eingangshalle des Stadthauses von Oberführer Schröder. Vogler hatte abgeliefert, was von ihm erwartet worden war. Ja, er hatte Ziegler persönlich vernommen, nachdem er Oppenheimer von dem Fall entbunden hatte, allerdings nur pro forma. Vogler kannte jeden einzelnen Satz des Verhörprotokolls, denn schließlich hatte er es selbst verfasst. Noch bevor sie Ziegler geschnappt hatten, war das Resultat der Untersuchung längst ausformuliert gewesen. Dieses Schriftstück, das Schröder nun in seinen Händen hielt, hatte vorweggenommen, was Ziegler aussagen musste, damit die Sache zu einem Abschluss gebracht werden konnte und alle losen Enden verknüpft waren. Dazu gehörte auch, dass der Beschuldigte das Verhör nicht überleben würde.
Nachdem er Ziegler exekutiert hatte, war Vogler unverzüglich in sein Büro gefahren, um die Unterlagen zu präparieren. Da es mittlerweile Samstagabend war und Vogler die Sache so schnell wie möglich zu Ende bringen wollte, war er schließlich zu Schröders Stadthaus gefahren, selbst auf die Gefahr hin, ihn am Feierabend zu stören. Ehrlich gesagt war Vogler sogar begierig zu erfahren, was sich hinter Schröders Fassade verbarg, wie der Privatmann aussehen mochte. Doch die Begegnung mit seinem Vorgesetzten war nicht sehr
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