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Germania: Roman (German Edition)

Germania: Roman (German Edition)

Titel: Germania: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harald Gilbers
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der Straße befand. Ein sicheres Zeichen dafür, dass sie sich allmählich wieder den Randgebieten der Stadt näherten.
    Auch Hilde schenkte ihre Aufmerksamkeit wieder der Umgebung. Ihren Blick auf den Pharus-Plan gerichtet, kratzte sie sich grübelnd am Kinn. »Eine eigenartige Stelle, die sich Lutzow für sein Versteck ausgesucht hat.«
    Auch Oppenheimer blickte auf das Papier. Er war schon etliche Mal am Müggelsee gewesen. Am südlichen Ufer lag zwischen Köpenick und Müggelsheim die Bismarckwarte. Sie war ein beliebtes Ausflugsziel, da das Gebäude auch eine Aussichtsplattform hatte, die eine grandiose Aussicht über ganz Berlin bot. Der Blick war so imposant, dass auf derselben Hügelkuppe gleich noch ein weiterer Aussichtsturm stand, dazu kam noch eine Waldschenke und weiter unten der idyllisch gelegene Teufelssee. Fast jeder Berliner war schon einmal am Wochenende dorthin gefahren. Und während die Ausflügler ausgelassen im Wasser herumtollten oder über die Hügel wanderten, ahnten sie nicht, dass sich wenige hundert Meter von ihnen entfernt ein unaussprechliches Grauen abspielte.
    »Du meinst, es ist merkwürdig, dass sich Lutzow einen Ort ausgesucht hat, der am Wochenende von Menschen nur so wimmelt?«, fragte Oppenheimer. »Stimmt, das vergrößert die Gefahr, entdeckt zu werden.«
    »Nein, das meine ich nicht. Das Versteck liegt ganz in der Nähe der Bismarckwarte. Denkst du da nicht an die Fundorte der Leichen?«
    Oppenheimer war zunächst überfragt, was Hilde damit meinte. Doch als er sich das Erscheinungsbild der Bismarckwarte in Erinnerung rief, begriff er ihren Hinweis. Die Turmkonstruktion mit den großen Eingangspforten am Fuß ähnelte dem Wasserturm in Steglitz. Mit dem stumpfen Kopfende, das von einer mächtigen Feuerschale gekrönt wurde, konnte die Bismarckwarte fast als eine ins Riesenhafte vergrößerte Variante der Gedenksteine durchgehen, vor denen der Mörder seine Opfer abgelegt hatte.
    »Gut und schön«, sagte Oppenheimer schließlich, »es mag gewisse Übereinstimmungen geben, aber im Gegensatz zu den anderen Fundorten sehe ich hier keine direkte Verbindung zum Ersten Weltkrieg. Die Bismarckwarte wurde bereits um die Jahrhundertwende erbaut. Es könnte genauso gut ein Zufall sein.«
    »Das mag zwar stimmen«, räumte Hilde ein, »aber Lutzow hat eine Affinität zu Phallussymbolen. Und was tut er? Er sucht sich einen Unterschlupf ganz in der Nähe des größten Steinpimmels, der sich weit und breit überhaupt finden lässt.«
    Zwar blieb Oppenheimer weiterhin skeptisch, doch er sah keinen Sinn darin, auf seinem Standpunkt zu beharren. »Ist ja egal«, wiegelte er ab. »Die Hauptsache ist, dass wir dahintergekommen sind.«
    Der Wagen hielt an, und Lüttke sagte: »So, da sind wir.«
    Verstohlen beobachtete Oppenheimer, wie Hilde die Umgebung musterte. Überrascht erkannte sie, dass sie vor dem Eingang einer S-Bahn-Station standen.
    »He, was soll das?«, protestierte Hilde. »Wir sind noch in Adlerhof. Das hier ist falsch.«
    »Wir sind hier richtig«, erwiderte Oppenheimer ruhig. Um seiner Anweisung Nachdruck zu verleihen, blickte er Hilde ins Gesicht. »Du steigst hier aus.«
    Für eine Sekunde war Hilde sprachlos. Dann sagte sie mit schriller Stimme: »Den Teufel werde ich tun! Ihr habt mich schon so weit mitgeschleppt, dass es jetzt auch keinen Unterschied mehr macht. Ich will die Sache zu Ende bringen!«
    »Hilde, es kann gefährlich werden. Die S-Bahnen fahren noch. Nimm die nächste in Richtung Stadtmitte. Wir treffen uns dann bei dir daheim.«
    »Männer!«, rief sie fassungslos. »Jetzt hört doch mal auf mit diesem ganzen Kavaliersgedusel!«
    »Du verstehst nicht: Es geht mir um Lisa!«
    Hilde stutzte, als sie Lisas Namen vernahm. Oppenheimer fuhr fort, versuchte zu erklären. »Falls mir etwas geschieht, muss sich jemand um sie kümmern. Hilde, es ist die letzte Bitte, die ich an dich habe. Versprichst du mir, auf Lisa aufzupassen?«
    Als Oppenheimer sah, dass sich Hildes Gesichtszüge entspannt hatten, wusste er, dass sie verstand. Doch er wusste auch, dass sie ihm nicht so einfach zustimmen würde. Schließlich zuckte sie kurz mit den Schultern und sagte mit einem gespielten Seufzer: »Es wäre schon besser, wenn ich mitkäme, aber wenn du meinst.«
    Oppenheimer musste lächeln. »Nu komm, spring raus.«
    Scheinbar unwillig öffnete Hilde die Tür. Auf dem Gehsteig blickte sie nochmals zurück und nickte zu den Akten, die neben Oppenheimer auf dem Sitz lagen. »Was ist

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