Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Germania: Roman (German Edition)

Germania: Roman (German Edition)

Titel: Germania: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harald Gilbers
Vom Netzwerk:
mit denen? Brauchst du sie noch?«
    »Was willst du damit?«
    »Na ja, sie haben einen unschätzbaren Wert für die Forschung. Dieser Fall kann für die Aufklärung von Sexualverbrechen vielleicht noch nützlich sein.«
    Für einen Moment überlegte Oppenheimer. Dann reichte er ihr die Papiere. »Ist vielleicht besser so. Falls uns jemand überraschen sollte, gibt es so wenigstens keine Hinweise darauf, dass wir beim SD eingestiegen sind.«
    Oppenheimer spürte, dass es nichts mehr zu sagen gab. Die Zeit des Abschieds war gekommen. Auch Hilde hatte dies registriert, schaute ihn noch einmal lange an und flüsterte ihn ins Ohr: »Pass auf dich auf.« Dann fügte sie etwas lauter hinzu: »Und gib Lutzow von mir einen saftigen Tritt in die Eier.«
    »Darauf kannst du dich verlassen«, erwiderte Oppenheimer grimmig und schloss die Tür.
    Er starrte durch das Rückfenster, bis Hilde in der Nacht verschwunden war. Kurz darauf fuhren sie bereits durch die nächtlichen Straßen Köpenicks. Nur noch wenige Kilometer, und sie waren am Müggelsee. Unwillkürlich dachte Oppenheimer daran, dass sie bald an der Stelle vorbeikamen, wo er vor einer Woche Traudel Herrmann hatte suchen lassen. Sie waren so verdammt dicht dran gewesen, hatten das Versteck dieses Mörders nur um wenige Kilometer verfehlt. Oppenheimer konnte nicht anders, als bei dieser Erkenntnis leise zu fluchen.
    Wenige Minuten später spiegelte sich das Licht des Mondes auf dem Wasser, gerade hell genug, um der Oberfläche einen diffusen Schimmer zu verleihen. Sie waren in dem Waldgebiet um den Müggelsee.
    Bauer wandte sich nach hinten. »Wie müssen wir jetzt genau fahren?«
    Oppenheimer knipste die Taschenlampe an und gab sie ihm, zusammen mit dem Ausschnitt des Pharus-Plans. Es war das einzige Dokument aus den Akten, das er zurückbehalten hatte. »Einfach rechts in die Zufahrt rein. Wir müssen den Müggelberg rauf. Es ist ziemlich genau zwischen dem Aussichtsturm und der Bismarckwarte. Lutzow hat seit ein paar Jahren ein Gewerbe. Er zieht hier draußen Pilze oder so was. Jedenfalls muss es dort ein Haus oder eine Hütte geben, die ihm gehört.«
    Bauer runzelte die Stirn. »Er zieht Pilze?«
    »Ist doch sehr praktisch, heutzutage«, meinte Lüttke. »Hatte ich mir auch schon mal überlegt. Viel einfacher als Gemüse. Die wachsen garantiert, brauchen nur Feuchtigkeit. Leider hab ich zu wenig Platz daheim.«
    Bauer starrte seinen Kollegen an, als würde er ernsthaft dessen geistige Gesundheit anzweifeln. »Pilze«, murmelte er kopfschüttelnd.

    Irgendwo dort oben lag ein riesiger Löwe über der Hauptpforte. Es war die einzige Skulptur, die man an der Außenfassade der Bismarckwarte angebracht hatte. Angespannt spähte Oppenheimer den Hang hinauf und fragte sich, ob man den Löwen bei Tageslicht von hier aus erkennen konnte. Doch die Spitze der Bismarckwarte verlor sich in der Schwärze des Nachthimmels.
    Sie hatten auf dem Müggelheimer Damm nochmals wenden müssen, ehe sie die enge Schneise im Wald entdeckt hatten. Die Zufahrt zu Lutzows Gebäude war ein kaum befahrener Weg für landwirtschaftliche Fahrzeuge, der schnurgerade auf den Müggelberg führte. Als Lüttke schließlich anhielt, befanden sie sich vor einem Holzzaun, der das Grundstück vor ungebetenen Gästen abschottete. Im hellen Lichtschlitz der Scheinwerfer war zu erkennen gewesen, dass neben dem Gatter ein Schild mit dem Namen des Eigentümers hing. Oppenheimer stand jetzt nervös davor. Lüttke hatte das Licht zwar schon wieder ausgeschaltet, doch die paar Sekunden hatten ausgereicht, um die Beschriftung des Schildes auf Oppenheimers Netzhaut einzuprägen.
    Lutzow.
    Er drückte gegen das Gatter. Natürlich war es verschlossen. Von einem Gebäude war nichts zu erkennen. Oppenheimer fragte sich beunruhigt, ob der Unterschlupf überhaupt noch existierte. Vielleicht war er ja bereits zerstört, und Lutzow hatte woanders ein neues Quartier gefunden. Vom nächtlichen Wald ging eine tiefe Stille aus. Es schien undenkbar, dass hier grauenvolle Folterungen stattgefunden hatten. Doch bei näherer Betrachtung machte genau dieser Umstand den Ort für Oppenheimer verdächtig. Es war hier zu friedlich. Zu normal.
    Er wagte zunächst nicht, auch nur einen Schritt auf das Gelände zu tun. Sein Instinkt sagte ihm, dass hier eine Falle auf ihn wartete. Andererseits war es auch denkbar, dass er niemanden vorfinden würde. Dass Lutzow kein neues Opfer entführt hatte, weil er wegen Kalles Verschwinden verunsichert

Weitere Kostenlose Bücher