Germania: Roman (German Edition)
mich. Aber welches Interesse haben Sie an diesem Fall? Soviel ich weiß, sind Sie aus dem Polizeidienst ausgeschieden. Eine weise Entscheidung, wie ich finde.«
Vogler betrat den Raum. Er musste die letzten Worte durch die geöffnete Tür mitbekommen haben. »Heil Hitler! Hauptsturmführer Vogler. Ich leite die Untersuchung.«
Gebert blickte ihn an, zog eine Augenbraue hoch und schaute dann wieder zu Oppenheimer. Er verstand. »Heil Hitler. Nehmen Sie doch Platz, meine Herren. Wie kann ich Ihnen helfen?«
Vogler setzte sich und deutete auf Oppenheimer. Dieser nahm das Gespräch wieder auf. »Was war die Todesursache?«, fragte er. »Ich nehme an, sie wurde stranguliert?«
»Eindeutig.«
»Und die Verstümmlung der Genitalien geschah post mortem? «
»Davon können wir ebenfalls mit Sicherheit ausgehen. Es ließen sich keine Hämatome finden. Die Blutzirkulation muss bereits vorher ausgesetzt haben.«
Oppenheimer dachte daran, dass dies ein Glück für die arme Frau gewesen war. »Wie waren die Schnitte?«
»Soweit sich das beurteilen lässt, recht präzise. Es waren gezielte Schnitte. Das umliegende Gewebe war kaum beschädigt. Wer immer dafür verantwortlich ist, er wusste, was er tat.«
»Also jemand, der mit dem Messer umzugehen weiß«, sinnierte Oppenheimer laut vor sich hin. »Wann war der Zeitpunkt des Todes?«
»Wir können von Samstagnachmittag ausgehen.«
Vogler schaltete sich ein. »Gab es sonst noch ungewöhnliche Funde?«
»Das kann man wohl sagen! Moment.« Gebert stand auf, öffnete eine Schranktür und kehrte mit einem Glasgefäß zurück, in dem etwas Metallisches blitzte. »Ich habe zwar schon einiges erlebt, aber das hier … Wir haben zwei Fremdkörper in ihrem Kopf gefunden.«
Oppenheimer musste schlucken, als Gebert ihm das Gefäß reichte. In ihm befanden sich zwei Eisennägel mit einer Länge von etwa sechs Zentimetern.
»Wo waren sie?«, fragte er tonlos.
»Ich fand sie in den Gehörgängen. Sie wurden so weit hineingetrieben, dass sie in der Gehirnmasse steckten.«
Oppenheimers Augen verengten sich, als er sich dies bildhaft vorstellte. »Gab es Blutungen?«
»Schwere. Sie war eindeutig noch am Leben, als es geschah.«
Für einige Momente saßen sich die Männer schweigend gegenüber. Jeder schien seinen eigenen, unangenehmen Gedanken nachzuhängen. Oppenheimer drehte das Gefäß in seinen Händen. Die Köpfe der Eisennägel schabten gegen die Innenwand.
»Vielen Dank für diese Auskünfte«, sagte Vogler schließlich. »Wir werden Ihre Zeit nicht länger in Anspruch nehmen.« Er erhob sich. »Ich muss Sie darauf hinweisen, dass diese Untersuchung strengster Geheimhaltung unterliegt.«
Dr. Gebert stand auf und machte eine zustimmende Geste. »Natürlich.«
Vogler reckte den Arm hoch. »Heil Hitler!«
»Heil Hitler«, antwortete Dr. Gebert mit dem Hitlergruß, der nicht ganz so zackig geriet. Oppenheimer zog stattdessen seinen Hut und wandte sich zum Gehen.
»Die Beweisstücke können Sie natürlich gleich mitnehmen«, fügte Gebert hinzu.
Oppenheimer blieb stehen und bemerkte, dass er das Glas mit den Nägeln immer noch in der Hand hielt. Er nickte wortlos.
»Und noch etwas, Herr Kommissar«, fügte Dr. Gebert hinzu. »Ich weiß zwar nicht, wen Sie da suchen oder wie lange es dauern mag, aber ich hoffe, dass Sie diesen Schweinehund finden.«
Als sie das Gebäude verlassen hatten, blieben Oppenheimer und Vogler noch eine Weile auf dem Bürgersteig stehen. Der Hauptsturmführer blickte in den strahlend blauen Himmel, doch seine Miene war düster. Er angelte in seinem Mantel nach einem Flachmann und trank einen Schluck. Oppenheimer stand unschlüssig daneben.
»Die Hypothese, dass es ein Leichenschänder ist, lässt sich jetzt nicht mehr aufrechterhalten«, fasste Oppenheimer schließlich zusammen. »Das Opfer wurde bei lebendigem Leib gefoltert.«
»Ich denke, es ist sinnlos, sich weiter mit den Friedhöfen zu beschäftigen«, meinte Vogler.
»Hm, das wird wohl zu nichts führen. Nach Angaben der Vermieterin verließ Fräulein Friedrichsen am Freitagabend allein das Haus. Im Laufe des darauffolgenden Tages wurde sie ermordet und ihre Leiche schließlich in der Nacht in Oberschöneweide entdeckt.«
»Warum dort?«, fragte Vogler. »Warum gerade an diesem Denkmal? Ihre Wohnung lag nördlich, in Pankow.«
Oppenheimer kaute grübelnd an seiner Zigarettenspitze. »Eine andere wichtige Frage wäre, ob es Zufall war, dass der Mörder ausgerechnet sie ausgewählt
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