Germania: Roman (German Edition)
noch dadurch verstärkt, dass Reithermann ihn wie einen Bittsteller behandelte.
»Also Sie sind der Herr, der die Aufklärung übernommen hat?«, fragte Reithermann. »Warum ist der Täter noch nicht gefasst? Was tun Sie eigentlich für Ihr Geld?«
Oppenheimer beherrschte sich und hoffte, dass ihm sein Ärger nicht anzumerken war, als er auf Reithermanns Frage hin eine kurze Zusammenfassung der Ermittlungsergebnisse gab.
»Es gibt noch etwas, worüber ich mit Ihnen sprechen möchte«, schloss Oppenheimer seinen Bericht. Vogler schaute ihn besorgt an. Obwohl der Satz an sich völlig harmlos war, musste sich in Oppenheimers Stimme ein unfreundlicher Ton geschlichen haben. Voglers Blick erinnerte ihn daran, dass er auf der Hut sein musste.
»Was wollen Sie denn noch?«, verlangte Reithermann zu wissen.
»Kennen Sie diese Frau?« Oppenheimer reichte ihm die Photographien von Fräulein Gerdeler.
Reithermann nahm sie gelangweilt entgegen. Als er jedoch die junge Frau in Frack und Zylinder sah, schien sein Interesse geweckt zu sein.
»Hm, kann ich sie schon einmal in einem Film gesehen haben?«
»Wohl kaum«, sagte Oppenheimer. »Sie war häufig in diesem Hotel. Man könnte sagen, es war ein Art Arbeitsplatz für sie.«
Reithermann blickte ihn irritiert an. »Ein Zimmermädchen?«
»Nein. Ihr Name war Christina Gerdeler. Jemanden wie sie nennt man wohl Abenteurerin. Sie ging hier auf Männerfang.«
»Hm, mir ist sie vielleicht ein wenig zu teutonisch. Ich bevorzuge eher den präraffaelitischen Typus. Obwohl …« Reithermann führte den Gedanken nicht zu Ende, denn sein Blick war auf das Aktphoto gefallen. Er atmete schwer und leckte sich gedankenverloren über die Lippen. »Leider ist sie mir nicht untergekommen. Die hätte ich schon mal gern vernascht.«
Oppenheimer mochte sich nicht vorstellen, wie das in der Realität aussehen würde. Seine Abneigung gegen diesen feisten Bonzen wurde immer größer. Er nahm die Photographien aus Reithermanns Wurstfingern. »Sie haben diese Dame also niemals hier gesehen?«
»Zumindest ist sie mir nicht aufgefallen.«
»Nur um sicherzugehen, haben Sie jemals ihren Namen gehört? Hat jemand mit Ihnen über Christina Gerdeler gesprochen?«
»Sind Sie taub?«, polterte Reithermann. »Ich kenne die kleine Nutte nicht. Basta!«
»Als Fräulein Dufour verschwand, ist Ihnen da eine verdächtige Person aufgefallen?«
»Es war so viel Betrieb – mir ist niemand aufgefallen. Wir waren hier im Haus, im Restaurant am Goethe-Garten beim Essen, als der verflixte Alarm losging. Fräulein Dufour hatte den Koffer mit ihren Sachen in Friedrichshain vergessen. Irgendwas wollte sie auf die Schnelle noch besorgen. Keine Ahnung, was es war. Hat sie mir nicht gesagt. Hat mich auch nicht interessiert. Sie wollte mich im Bunker wiedertreffen. Ich habe vom Kellner noch zwei Flaschen Wein organisiert und bin dann runter.«
»Sie haben nicht gesehen, in welche Richtung sie gegangen ist?«
Reithermann platzte der Kragen. »Seid ihr alle schwer von Kapee? Ich habe es schon tausendmal gesagt. Keine Ahnung! Jagen Sie lieber den Mörder, anstatt mich zu belästigen!«
»Welche Stellung hatte Fräulein Dufour bei Ihnen?«
»Sekretärin! Schauen Sie gefälligst in Ihre Akten, bevor Sie hereingeschneit kommen! Ist das eine Art, eine Untersuchung zu führen?«
»Seit wann befand sie sich bei Ihnen im Dienst?«
»Seit etwa zwei Jahren.«
»Hatte sie besondere Aufgaben?«
»Sie wollen wissen, ob ich sie gevögelt habe? Klar habe ich die Kleine gevögelt! Und sie hat es sich gern von mir besorgen lassen! Wie alle anderen Weiber auch!«
Oppenheimer versuchte, ruhig zu bleiben. Er überlegte, ob er es dabei belassen sollte. Doch eine Frage wollte er noch klären. Schließlich hatte er eigentlich nur wegen dieser einen Frage Reithermann persönlich sprechen wollen. Oppenheimer blickte in sein Notizbuch. »Eine Sache noch: Können Sie mir sagen, wo Sie im letzten Jahr Anfang August waren?«, fragte er so beiläufig wie möglich.
»Keine Ahnung. Warum?«
Als Vogler merkte, dass Oppenheimer mit dieser Frage Reithermanns Alibi klären wollte, brach er das Gespräch ab. »Vielen Dank. Ich denke, damit hätten wir alles erledigt.«
Doch Reithermann war nicht dumm. Er hatte Oppenheimers Strategie durchschaut. Aufgeregt hievte er sich aus dem Sofa und baute sich drohend vor ihnen auf. »Sie sind wohl völlig übergeschnappt!«, fuhr er Oppenheimer an. Seine Augen funkelten vor Wut. »Glauben Sie etwa, dass
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