Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Germania: Roman (German Edition)

Germania: Roman (German Edition)

Titel: Germania: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harald Gilbers
Vom Netzwerk:
Hauptsturmführer, für den du arbeitest, wird dir die Informationen besorgen.«
    Oppenheimer dachte kurz nach. »Ich möchte es ihm erst sagen, wenn ich konkrete Verdachtsmomente habe. Ich habe mich schon in die Nesseln gesetzt, weil ich einen SS-Bonzen verdächtigt habe. Und dieser SA-Mann wäre auch wieder einer von seinen eigenen Leuten.«
    »Ich kann dir da wirklich nicht weiterhelfen«, erklärte Billhardt mit Nachdruck, doch Oppenheimer bemerkte an seinem Verhalten, dass er sich mit dieser Entscheidung schwertat.

    Gegen drei Uhr in der Nacht hatte es endlich Entwarnung gegeben. Oppenheimer war schlaftrunken aus dem Keller zu seinem Bett hochgeschlurft, ließ sich hineinfallen und schlief sofort wieder ein. Als er aufwachte, war es bereits Mittag. Er hörte Lisa in der Küche. Immer noch schläfrig, drehte er sich auf den Rücken und blickte durch das Fenster in den grauen Himmel. Es war Sonntag, doch sein Verstand erlaubte ihm nicht, auszuruhen. Noch während er seine Kleidung anzog, dachte er wieder an den SA-Mann, von dem Billhardt gesprochen hatte. Vielleicht sollte er sich wirklich an Vogler wenden, um an die Akten zu gelangen. Eine kleine Notlüge würde reichen. Er konnte immer noch behaupten, von diesem Fall gehört zu haben, als er noch im Polizeidienst war.
    Als Oppenheimer in die Küche kam, stand Lisa am Herd. Im Kessel kochte Wasser. Auf dem Tisch lagen Lebensmittel. Überrascht registrierte er, dass sich darunter auch so kostbare Dinge wie Schokolade, Kaffee und Fleischkonserven befanden. Sein erster Reflex war, sofort eine der Schokoladentafeln anzubrechen. Als sich der süße Geschmack in seinem Mund ausbreitete, konnte er sich eines zufriedenen Lächelns nicht erwehren.
    Sofort steckte er ein zweites Stück dieses unerwarteten Geschenks in seinen Mund. Erst dann fragte er: »Wo kommt das her?«
    »Von Dr. Klein«, antwortete Lisa. Ihre Stimme klang eigentümlich matt. »Er hat die Sachen heute Morgen im Haus verteilt.«
    »Hab ich mir doch gedacht, dass er einen geheimen Vorrat besitzt. Was gibt es denn zu feiern? Hat die Invasion Fortschritte gemacht?«
    Mit einem Knall stellte Lisa den Wasserkessel zurück auf den Herd und blickte ihren Mann vorwurfsvoll an. »Du bekommst wohl gar nicht mehr mit, was um dich herum geschieht, oder?«
    Oppenheimer bemerkte einen feuchten Schimmer in ihren Augen, doch er verstand ihre Reaktion nicht. »Was habe ich denn falsch gemacht?«
    »Du bist so mit deiner Ermittlung beschäftigt, dass dir die anderen Menschen völlig egal sind.«
    Oppenheimer fühlte sich missverstanden. »Sag mir bitte, was los ist!«
    »Dr. Klein hat vorgestern seinen Evakuierungsbrief bekommen. Jetzt, wo seine Frau gestorben ist, wird er nicht mehr als Privilegierter eingestuft. Er hat gehofft, dass er nach Theresienstadt kommt, doch sie wollen ihn nach Polen verschicken, weil er noch keine sechzig Jahre alt ist. Morgen werden sie ihn abholen. Also hat er heute früh seine ganzen Sachen verschenkt. Ich habe den Eindruck, dass er Veronal nehmen will. Die Leute von der Gestapo werden Dr. Klein wohl nicht mehr lebend vorfinden.«
    Der Geschmack der Schokolade schien sich in Oppenheimers Mund zu verändern. Schockiert schluckte er den Rest hinunter. Dann richtete er seinen Blick zur Zimmerdecke. Irgendwo dort oben nahm Dr. Klein gerade eine tödliche Dosis Schlafmittel. Oppenheimer spürte den Drang, etwas zu tun. Er wollte diesem Irrsinn ein Ende setzen. Doch was konnte er ausrichten? Sosehr es ihm widerstrebte, er musste akzeptieren, dass es in diesem Fall möglicherweise besser war, nicht einzugreifen. Dr. Klein würde durch seinen Tod viel erspart bleiben, er würde nicht mehr misshandelt werden, müsste nicht sein eigenes Grab schaufeln, bevor er erschossen oder vergast wurde oder was den Nationalsozialisten sonst noch für Grausamkeiten einfielen. Die einzige Möglichkeit, die ihm blieb, um seine Freiheit zu demonstrieren, um vor der Vernichtungsmaschinerie nicht zu kapitulieren, um sich nicht kampflos dem Schicksal zu ergeben, das der Halunke, der vom Volk Führer genannt wurde, ihm zugedacht hatte, war die Selbsttötung.
    Mit einem Mal kam Oppenheimer die Luft stickig vor. Er riss eines der Fenster auf und blickte auf die regennassen Straßen. Er hatte keinen Appetit mehr auf Schokolade.

    Der Friedhofswärter fluchte vor sich hin. Er hatte seine Taschenlampe nicht eingeschaltet, obwohl rings um ihn herum tiefste Finsternis herrschte. Er konnte sich auch im Dunkeln auf dem

Weitere Kostenlose Bücher