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Germania: Roman (German Edition)

Germania: Roman (German Edition)

Titel: Germania: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harald Gilbers
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Friedhofsgelände orientieren. Wenn er Pech hatte, dann trieb sich einer dieser Strolche noch hier herum. In diesem Fall hatte er keine Lust, ihn auf sich aufmerksam zu machen. Er fand, dass er mit seinen siebenundsechzig Jahren noch ganz rüstig war. Sollte jemand seinen Weg kreuzen, dann würde er versuchen, sich lautlos heranzupirschen und ihn zu überwältigen. Bei diesem Gedanken schloss der Friedhofswärter seine Hand fester um die Hacke. Es war gut, sie für alle Fälle dabeizuhaben.
    Nach dem Entwarnungssignal hatte er es sich gerade im Bett wieder gemütlich gemacht, als ihn diese dumme Gans herausklingelte. In den Morgenstunden hätte er beim Aufschließen schon von allein bemerkt, dass das Tor zum Friedhof offen stand und die Kette durchgetrennt war. Aber so musste er noch in der Nacht durch den prasselnden Regen laufen, um seiner Aufsichtspflicht nachzukommen.
    Das Fräulein Becker hatte er schon mehrere Mal in der Nachbarschaft gesehen. Er fand, dass sie eine dumme Pute war, obwohl sie einen hübschen Hintern hatte, das musste man ihr allerdings lassen. Aus reiner Bosheit hatte er sie zur nächsten Polizeiwache geschickt, um den Einbruch unverzüglich zu melden. Ihr Gesichtsausdruck war einfach unbezahlbar gewesen, als er sagte, dass er selbst keine Möglichkeit dazu habe, da er das Gelände bis zur Ankunft der Gendarmen sichern müsse. Nun ja, Rache musste sein. Er hätte jetzt viel lieber im Bett gelegen. Vielleicht sogar mit Fräulein Becker.
    Es war so gut wie unmöglich, in der Dunkelheit die ganze Anlage abzusuchen. Das Gelände war schließlich fast einen halben Quadratkilometer groß. Außerdem war die regenfeuchte Luft unangenehm klamm, weswegen der Friedhofswärter beschloss, bloß den breiten Weg zum Wasserturm abzugehen. Er sagte sich, dass er damit seiner Pflicht Genüge getan hatte. Insgeheim hoffte er, dass das Fräulein Becker doch nicht zur Polizei gelaufen war und er sich noch ein paar Stunden hinlegen konnte. Ein Eindringling konnte hier sowieso nicht viel anstellen. Vielleicht Blumen klauen. Gab es überhaupt einen Schwarzmarkt dafür? Ansonsten konnte man hier allenfalls ein Grab verschandeln. Alles nicht der Rede wert. Und dafür jagte man ihn aus dem Bett.
    Der Friedhofswärter schüttelte verdrossen den Kopf, als er über den knirschenden Splitt lief. Vor sich konnte er den riesigen Turm erahnen, zu dem der Pfad führte. Bei Sonnenschein überstrahlten die roten Backsteine des zylindrischen Gebäudes den ganzen Friedhof. Doch zu dieser frühen Morgenstunde verbargen sich die Farben in der Schwärze des Nachthimmels.
    Als der Friedhofswärter das Ende des Weges erreicht hatte und vor dem Turm stand, wollte er wieder umkehren. Plötzlich erstarrte er. Da war doch was. Hatte er wirklich ein Rascheln gehört? Oder hatte ihm sein Verstand einen Streich gespielt? Er lauschte angestrengt, aber außer dem Knattern der großen Fahnen über seinem Kopf war nichts zu hören. Wahrscheinlich war es nur ein Vogel gewesen, den er aufgeschreckt hatte. Oder war es möglich, dass sich hier doch jemand herumtrieb?
    Der Wärter hob die Spitze seiner Hacke, seine Muskeln spannten sich an, er bereitete sich innerlich darauf vor, angegriffen zu werden. Er würde diesem Verbrecher schon zeigen, dass ein alter Mann wie er kein wehrloses Opfer war. Langsam begann er, den Turm zu umkreisen. Mit äußerster Vorsicht bewegte er sich vorwärts. Er versuchte, so leise wie möglich zu sein, doch dieser verdammte Splitt knirschte bei jedem Schritt.
    Er musste keine weite Strecke zurücklegen, um den Körper zu entdecken. Der Friedhofswärter war gerade dabei, die Gedenkhalle zu passieren, die am Sockel des Turmes stand. Direkt vor dem Hauptportal stieß sein Fuß gegen ein Hindernis. Erschrocken blieb er stehen. Vor ihm lag etwas, das er in der Dunkelheit nur undeutlich ausmachen konnte. Dieses Ding hatte hier gestern noch nicht gelegen.
    Der Friedhofswärter wusste, wie leicht es war, ihn an dieser Stelle zu überrumpeln. Schließlich stand er auf freier Fläche. Er unterdrückte seinen ersten Instinkt, das Ding zu seinen Füßen zu untersuchen. Erst musste er sich vergewissern, dass die Luft rein war.
    Nichts regte sich. Kein verräterischer Lichtschein drang durch die Büsche. Auch im Säulengang der Gedenkhalle war nichts zu erkennen. Kein Schatten, der hinter einem der Pfeiler wartete, kein ungewöhnlicher Laut, der an sein Ohr drang. Nur er selbst und das dunkle Etwas vor ihm auf dem Boden waren hier.
    Als

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