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Germania: Roman (German Edition)

Germania: Roman (German Edition)

Titel: Germania: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harald Gilbers
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Oppenheimer. Wieder lag die Leiche vor einer Art Opferaltar, nur dass er in diesem Fall etwa vierzig Meter in die Höhe ragte. Bevor er die Abdeckung hochhob, begann sein Herz heftig zu pochen.
    Der Anblick, der sich ihm schließlich darbot, war grauenerregend. Der Unterkörper der Frauenleiche war mit gespreizten Beinen zum Denkmal hin ausgerichtet. Die Verletzungen schienen identisch mit denen der ersten drei Opfer zu sein. Wie an den anderen Fundorten auch konnte man nur geringe Blutspuren erkennen. Es gab keinen Zweifel, dass hier wieder derselbe Täter zugeschlagen hatte. Dennoch hatte Oppenheimers erster Eindruck getäuscht. Das Muster war nicht identisch. Diesmal fehlte etwas.
    »Was hat das zu bedeuten?«, fragte Oppenheimer verblüfft.
    »Er hat ihre Arme abgeschnitten«, erklärte Vogler. »Wir durchsuchen bereits das Gelände, ob sie hier irgendwo in der Nähe liegen.«
    »Keine Arme?«, überlegte Oppenheimer laut. Erst jetzt nahm er mehr als nur die Wunden wahr. Die Frau, die vor ihnen auf dem Boden lag, war vollständig in Schwarz gekleidet. Der Regen hatte ihr das Make-up fast abgewaschen. Wie durch Magie waren die unvorstellbaren Qualen, die diese Frau durchleben musste, auf ihren Gesichtszügen nicht zu erkennen.
    Grübelnd blieb Oppenheimer neben ihr hocken. Wut stieg in ihm auf. Wut und Verzweiflung. Sie könnte noch leben, hätte er nicht so kläglich versagt. Er hatte die letzten Wochen sinnlos vergeudet. Der Mörder hatte ihn zum Schuldigen gemacht. Für Oppenheimer blieb er ein Rätsel. Jedes Mal, wenn er glaubte, sich einen Reim auf die Fakten machen zu können, geschah etwas, das alles über den Haufen warf.
    »Gibt es eine Vermisstenmeldung?«, fragte Oppenheimer.
    Vogler lehnte sich gegen eine der Säulen und schüttelte den Kopf. »Bislang haben wir keine erhalten.«
    Oppenheimer erhob sich, ging zum Kopfende der Treppe und blickte auf die Rasenfläche, die sich unterhalb von ihm erstreckte. »Gut, die Dame scheint nichts bei sich zu haben, womit wir sie identifizieren könnten. Dann müssen wir selbst auf die Suche gehen. Sie macht einen gepflegten Eindruck. Ich denke nicht, dass sie eine ordinäre Straßendirne ist. Sie trägt teuren Schmuck, und soweit ich es beurteilen kann, benutzte sie Parfum. Das hat zu viel Klasse. Am besten, Sie schicken jemanden mit dem Photo in die Bordelle. Falls sie doch mit der SS in Verbindung stand, werden wir es ja bald erfahren. Ich glaube kaum, dass niemand sie vermissen wird. Gut, und wo ist die Zeugin?«
    »Ich denke, sie befindet sich noch in der Polizeiwache.«
    »Dann werde ich sie gleich persönlich befragen. Sie ist jetzt das Beste, was wir haben.«

    Elfriede Becker blickte Oppenheimer mit geröteten Augen an. Nun befand sie sich schon seit geschlagenen vier Stunden in der Polizeiwache, saß erschöpft auf einer hölzernen Bank und hatte ihre Jacke zu einer Nackenstütze zusammengerollt. »Ich möchte ja nicht drängen, aber Ihre Kollegen haben mich bereits vernommen. Ich war die halbe Nacht über im Bunker und muss bald wieder zur Arbeit.«
    »Nur ganz kurz«, beschwichtigte Oppenheimer und setzte sich neben sie. »Also, Sie waren auf dem Heimweg und haben den mutmaßlichen Täter gesehen? In der Bergstraße, direkt beim Eingang?«
    Fräulein Becker rückte ihre Brille zurecht, holte die Jacke hinter ihrem Kopf hervor und faltete sie ordentlich zusammen. Ihre Bewegungen wirkten mechanisch. »Ich weiß nicht, ob es der Täter war. Bevor ich zum Tor kam, sah ich dort eine Gestalt.«
    »Wie weit waren Sie entfernt?« Unwillkürlich rückte Oppenheimer näher, während er sie betrachtete. Fräulein Becker war zu müde, um sein Verhalten zu registrieren. Den Kopf gesenkt, antwortete sie: »Vielleicht fünfzehn Meter. Es kam mir komisch vor, dass der Mann weglief.«
    »Wie sah er aus?«
    Fräulein Becker stöhnte genervt auf und lehnte sich zurück. »Ich kann es leider nicht genau sagen. Es war kaum was zu erkennen. Wegen der Verdunklung. Es war nur ganz kurz hell, weil der Mond hinter einer Wolke hervorkam. Nach ein paar Augenblicken war das Licht schon wieder weg. Ich habe dann nur noch Schritte gehört. Er überquerte wohl die Straße oder verschwand zwischen den Bäumen, ich weiß es nicht. Als ich ans Tor kam, stand er jedenfalls nicht mehr davor.«
    »Aber Sie haben ihn während dieser kurzen Zeit gesehen, nicht wahr?«
    »Also gesehen ist zu viel gesagt, aber ja, einen Blick habe ich auf ihn werfen können.«
    »Wie lässt sich der Mann

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