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Germinal

Germinal

Titel: Germinal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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werde drollig sein, meinte er, mit dem Spiel mitten unter die im Walde versammelten Kameraden zu geraten. Johannes tat, als wolle er sich nur im Freien herumtreiben; doch hatte er seit seinem Aufbruch vom Dorfe den Wald als Ziel in Aussicht genommen. Er drohte Lydia mit Schlägen, als diese von Furcht und Gewissensbissen ergriffen davon sprach, nach dem Voreux zurückzukehren, um Löwenzahn zu sammeln. Sie sollten nicht mit von der Versammlung sein? Er für sein Teil wolle hören, was die Alten reden. Er drängte auch Bebert vorwärts und schlug vor, sie wollten sich den kurzen Weg bis zum Walde damit vertreiben, daß sie Polen losmachten und mit Steinwürfen verfolgten. Seine Absicht war, das Tier zu töten: ihn erfaßte die Gier, es fortzutragen und in seiner Höhle zu Réquillart zu verzehren. Das Kaninchen begann mit hängenden Ohren wieder zu laufen; ein Steinwurf schlug ihm am Rücken eine Wunde, ein zweiter Steinwurf riß ihm den Schwanz weg; und trotz des wachsenden Dunkels wäre das Tier schließlich getötet worden, wenn die Rangen nicht Etienne und Maheu, die mitten in einer Lichtung standen, erblickt hätten. Sie stürzten sich mit wilder Hast auf das Tier und schoben es wieder in den Korb. Fast in derselben Minute führten Zacharias, Mouquet und die zwei anderen ihren letzten Kolbenhieb und schleuderten die Kugel nach dem Walde, wo sie wenige Meter von der Lichtung niederfiel. Alle waren beim Orte des Stelldicheins angelangt.
    Seit Anbruch der Dämmerung sah man in der ganzen Gegend auf den Straßen und Pfaden der kahlen Ebene ein langes Wandern, ein Dahinströmen stiller Schatten, die einzeln und in Gruppen dem rötlich dunkelnden Walde zustrebten. Jedes Dorf leerte sich; selbst die Frauen und Kinder gingen dahin, als gelte es einen Spaziergang unter dem weiten, klaren Himmel. Es ward jetzt dunkel auf den Wegen; man sah nicht mehr diese sich fortbewegende Masse, die nach dem nämlichen Ziele dahinglitt; man fühlte sie bloß, wie sie verworren, von demselben Streben getrieben, fortging. Es wurde zwischen den Hecken und Büschen nur ein leichtes Rascheln laut, ein undeutliches Geräusch von Stimmen der Nacht.
    Herr Hennebeau, der eben zu dieser Stunde heimwärts ritt, horchte auf, als er diese verschwommenen Geräusche hörte. Er war zahlreichen Paaren begegnet, einer langen Reihe von Spaziergängern, die den schönen Winterabend im Freien zubringen wollten. Es waren wieder Verliebte, die Mund auf Mund dahin wandelten, um hinter den Mauern dem Vergnügen zu fröhnen. Es waren die gewöhnlichen Begegnungen, Mädchen, die in jedem Graben hingeworfen wurden, Burschen, die sich die einzige Freude, die nichts kostete, vollauf gönnten. Und diese Schwachköpfe, die das einzige Glück, das Glück der Liebe, im Übermaß genießen konnten, beklagten sich noch über das Leben! Gern hätte er gehungert wie sie, wenn er das Leben von vorne hätte beginnen können mit einer Frau, die sich ihm auf den Kieseln am Wegrande hingegeben hätte mit der Vollkraft ihres Herzens und ihrer Lenden. Für sein Unglück gab es keinen Trost; er beneidete diese Elenden. Gesenkten Hauptes kehrte er heim im verlangsamten Schritte seines Pferdes, verzweifelt über dieses anhaltende Geräusch, das sich in der finstern Landschaft verlor, wo er nichts als Küsse hörte.
     

Siebentes Kapitel
    Es war auf dem Damenplan, einer weiten Lichtung, welche ein Holzschlag erschlossen hatte. Sie streckte sich in einem sanften Abhang dahin, eingeschlossen von hohem Gehölz, prächtigen Buchen, deren gerade, regelmäßig gewachsene Stämme sie gleich weißen Säulen, mit grünen Flechten belegt, umgaben; am Boden lagen gefällte Baumriesen im Grase, während links ein Haufen Scheitholz aufgeschichtet stand. Mit zunehmender Dunkelheit ward die Kälte schneidender; das gefrorene Moos krachte unter den Schritten. Schwarze Nacht lagerte auf der Erde; die hohen Äste hoben sich scharf von dem bleichen Nachthimmel ab, an welchem der Vollmond heraufzog, um die Sterne zu verdunkeln. Nahezu dreitausend Bergleute hatte dem Rufe Folge geleistet; es war eine wimmelnde Masse, Männer, Weiber, Kinder, die allmählich die Lichtung erfüllten und selbst weithin unter den Bäumen standen; und es kamen noch immer Nachzügler, die Flut von Köpfen breitete sich -- in Schatten getaucht -- bis zu den benachbarten Schlägen aus. Aus dieser Flut stieg inmitten des unbeweglichen, winterstarren Forstes ein Grollen auf, einem Sturmwinde gleich. Obenan, den Abhang

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