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Germinal

Germinal

Titel: Germinal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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vierhundert Meter weit über die Rübenfelder; denn es war verboten, in den Dörfern und auf den Straßen, wo Leute sich aufhielten, dieses gefährliche Spiel zu spielen. Mouquet, der ebenfalls einen kräftigen Arm führte, schleuderte den Ball mit einem einzigen Hieb auf hundertfünfzig Meter zurück. Das Spiel dauerte fort; das eine Lager trieb den Ball vorwärts, das andere Lager trieb ihn zurück, immer im Laufschritt, über die zu Stock und Stein gefrorenen Felder.
    Johannes, Lydia und Bebert waren eine Weile hinter den Spielern hergelaufen, entzückt über ihre prächtigen Schläge. Dann erinnerten sie sich des Kaninchens; sie ließen das Spiel im Stiche, schüttelten den Korb, um zu sehen, ob das Tier noch da sei, und holten es hervor, um zu sehen, wie schnell es laufen könne. Das Kaninchen rannte davon, die Kinder hinterdrein; es war eine Hetze, die eine volle Stunde dauerte; das Tier wurde gejagt, durch Zurufe erschreckt, und man suchte es abzufangen, was hundertmal mißlang. Wäre Polen nicht trächtig gewesen, sie hätten es nimmer eingeholt.
    Als sie stille standen, um sich ein wenig zu verschnaufen, hörten sie lautes Fluchen. Sie schauten sich um und sahen, daß sie wieder ins Ballspiel geraten waren; Zacharias hatte die Kugel knapp am Kopfe seines Bruders vorbeigeschleudert. Die Spieler waren schon beim vierten Gange; vom Pachthofe Paillot waren sie zu den vier Wegen gekommen, von den vier Wegen nach Montoire; von da gings in sechs Zügen bis zur Kuhwiese. Dies machte zweiundeinhalb Meilen in einer Stunde; sie hatten noch Schoppen getrunken in Vincents Weinhaus und im Ausschank »Zu den drei Weisen«. Mouquet war am Spiel; er hatte noch zwei Züge, sein Sieg war entschieden, als Zacharias, der sich höhnisch seines Rechtes bediente, mit solcher Geschicklichkeit den Ball zurückschleuderte, daß dieser in einen tiefen Graben rollte. Mouquets Partner konnte ihn nicht hervorholen; es war ein Unglück. Alle vier schrien und regten sich auf; sie standen einander gleich, das Spiel mußte von vorne beginnen. Von der grünen Wiese bis zum roten Anger waren es kaum zwei Kilometer; diese wollten sie in fünf Zügen zurücklegen; dort wollte man sich dann bei Lerenard erfrischen.
    Doch Johannes hatte einen Einfall. Als die Spieler weiter gezogen waren, holte er eine Schnur aus der Tasche und band sie an die linke Hinterpfote des Kaninchens. Das gab vielen Spaß; das Tier lief schwerfällig vor den drei Rangen einher mit so erbärmlich-drolligem Hinken, daß seine Peiniger sich vor Lachen die Seiten hielten. Dann legten sie ihm die Schnur um den Hals, damit es so laufe. Als das Tier müde ward, zogen sie es auf dem Bauche und auf dem Rücken nach wie einen kleinen Karren. Es währte schon über eine Stunde, und das arme Tier keuchte zum Erbarmen, als sie es hastig wieder in den Korb schoben, weil sie nahe beim Walde von Cruchot wieder unter die Ballspieler gerieten.
    Zacharias, Mouquet und die zwei anderen durchmaßen jetzt die Kilometer in toller Eile und gönnten sich nur soviel Ruhe wie nötig war, um unterwegs in den Schenken, die sie sich als Ziel setzten, ihre Schoppen zu trinken. Vom roten Anger waren sie nach Buchy gekommen, dann nach Croix-de-Pierre, dann nach Chamblay. Die Erde erklang unter dem tollen Lauf ihrer Füße, wo sie den Ball jagten, der von dem hartgefrornen Boden immer wieder in die Höhe sprang. Das Wetter war sehr günstig; das Versinken im Sumpfboden war jetzt nicht zu fürchten; sie riskierten höchstens, die Beine zu brechen. Die Kolbenschläge klangen laut wie Flintenschüsse durch die trockene Luft. Die muskulösen Hände umklammerten fest die umsponnenen Schlägel; der ganze Körper legte sich dabei aus, als gelte es einen Ochsen zu fällen. Das währte so stundenlang von einem Ende der Ebene bis zum andern über Gräber, Hecken, Straßenböschungen, Gartenzäune hinweg. Man mußte gesunde Lungen im Leibe und eisenfest gefügte Knie haben, um diesem Spiel zu fröhnen. Die Häuer spielten es leidenschaftlich gern, um sich nach der Grubenarbeit die Glieder gelenkiger zu machen. Unter den Fünfundzwanzigjährigen gab es solche, die nicht genug davon haben konnten; mit vierzig Jahren gab man das Ballspiel auf, man war zu schwerfällig dazu.
    Es schlug fünf Uhr; der Abend dämmerte heran. Noch ein Spiel galt es bis zum Walde von Vandame; dieses sollte entscheiden, wer die Mütze und das Halstuch gewinne. Zacharias scherzte mit seiner spöttischen Gleichgültigkeit für die Politik; es

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