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Germinal

Germinal

Titel: Germinal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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auf allen Seiten wurde geschrien:
    »Um so schlimmer! Sie hätten nicht anfahren sollen! ... Es geschieht ihnen recht, den Verrätern! ... Ja, ja, sie sollen dort bleiben! ... Übrigens sind ja die Leitern da!«
    Als der Gedanke an die Leitern sie noch hartnäckiger gemacht hatte, begriff Etienne, daß er nachgeben müsse. In der Furcht vor einem noch größeren Unglück eilte er zur Maschine; er wollte die Schalen heraufkommen lassen, damit nicht die durchgesägten Kabel auf sie niederfielen und mit ihrem Gewichte sie zerschmetterten. Der Maschinist war verschwunden, ebenso wie die wenigen oben beschäftigten Arbeiter. Etienne bemächtigte sich des Kolbens und handhabte ihn, während Levaque und zwei andere das gußeiserne Gebälk erklommen, das die Spornräder trug. Kaum waren die Schalen verankert, als man das Kreischen der Feile hörte, die das stählerne Kabel durchsägte. Tiefe Stille trat ein; dieses Geräusch der Feile schien die ganze Grube zu erfüllen; alle hoben den Kopf, schauten und hörten, von großer Bewegung ergriffen. Maheu, der in der ersten Reihe stand, ward von grausamer Freude erfüllt, als ob die Zähne der Feile sie alle von dem Unglück befreiten, indem sie das Kabel eines dieser Unglückslöcher durchsägten, in das man nicht mehr hinabsteigen solle.
    Die Brulé war inzwischen über die Treppe der Baracke verschwunden und schrie unablässig:
    »Löscht die Feuer aus! Zu den Kesseln! Zu den Kesseln!«
    Eine Schar von Weibern folgte ihr. Frau Maheu eilte hinzu, um sie zu hindern, alles zu zerstören, gleichwie ihr Mann die Kameraden hatte zur Vernunft bringen wollen. Sie war die Besonnenste unter allen; man könne sein Recht fordern, ohne Schaden zu stiften, meinte sie. Als sie das Heizhaus betrat, hatten die Weiber schon die zwei Heizer verjagt; die Brulé hockte mit einer großen Schaufel vor einem der Öfen und leerte ihn, die weißglühenden Kohlen auf die Ziegel des Vorplatzes schleudernd, wo sie mit schwarzem Rauche weiter brannten. Es waren zehn Öfen für die fünf Dampferzeuger da. Alle Weiber stürzten sich mit wilder Wut auf dieses Zerstörungswerk; die Levaque schwang ihre Schaufel mit beiden Händen, die Mouquette schürzte ihren Rock bis zu den Hüften auf, damit er nicht Feuer fange; sie waren blutrot im Widerschein des Brandes, schweißtriefend, mit wirrem Haar in diesem Hexensabbat. Der Kohlenhaufen ward höher und höher; die Decke des weiten Raumes barst unter der Einwirkung der furchtbaren Glühhitze.
    »Genug!« rief die Maheu. »Die Bude geht in Flammen auf!«
    »Um so besser!« antwortete die Brulé. »Es ist dann wenigstens ganze Arbeit ... Donner Gottes! Ich sagte ihnen, daß ich sie den Tod meines Mannes entgelten lassen will!«
    In diesem Augenblick hörte man die schrille Stimme Johannes'.
    »Aufgepaßt! Ich lösche die Feuer aus! Ich lasse alles los!«
    Er war als einer der ersten eingedrungen und durch die Menge gehumpelt, entzückt über diesen Rummel und überall suchend, was er Böses verüben könne; er kam auf den Gedanken, die Ventile zu öffnen, um den Dampf ausströmen zu lassen. Es strömte hervor mit der Gewalt von Schüssen; die fünf Kessel leerten sich mit einem sturmartigen Brausen und Zischen, daß einem die Ohren gellten. Alles war in Dampf gehüllt, die Kohle verblaßte, die Weiber erschienen nur mehr als Schatten mit verschwommenen Bewegungen. Der Knabe allein war sichtbar; er hatte die Galerie erstiegen, und man bemerkte ihn hinter den weißen Dampfwolken, wie er -- das breite Maul bis zu den Ohren gespalten -- vergnügt grinste, weil es ihm gelungen, diesen Orkan zu entfesseln.
    Es dauerte nahezu eine Viertelstunde. Man hatte einige Kübel Wasser auf die Kohlenhaufen geschüttet, um sie vollends auszulöschen; damit war die Feuersgefahr beseitigt. Aber die Wut der Menge war nicht gedämpft, vielmehr neu aufgestachelt. Mit Hämmern bewaffnete Männer stiegen hinunter, die Weiber ergriffen Eisenstangen, und man sprach davon, die Dampferzeuger, die Maschinen zu zerschlagen, die Grube vollends zu zerstören.
    Etienne, den man benachrichtigt hatte, eilte mit Maheu herbei. Fortgerissen von diesem glühenden Rachefieber, ward auch er berauscht. Er kämpfte indes, er beschwor sie, ruhig zu sein, da nunmehr die durchschnittenen Kabel, die ausgelöschten Feuer, die leeren Dampfkessel die Fortsetzung der Arbeit unmöglich machten. Man hörte wieder nicht auf ihn und war im Begriff, ihn zu überschreien, als draußen vor einer kleinen Tür, wo der

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