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Germinal

Germinal

Titel: Germinal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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Sie dicht hinter mir eine Flinte nach mir abschössen ... Ja, meine Leute sind in der Grube und werden nicht ausfahren, --- oder ihr müßtet vorher mich selbst umbringen.«
    Diese rauhen Worte verursachten ein Geschrei. Maheu mußte Levaque zurückhalten, der in drohender Haltung hervorstürzte, während Etienne noch immer unterhandelte und Deneulin von der Gesetzmäßigkeit ihres revolutionären Vorgehens zu überzeugen suchte. Allein dieser antwortete mit dem Rechte auf Arbeit. Er lehnte es übrigens ab, über diese Dummheiten sich zu äußern; er wollte Herr sein im eigenen Hause. Er machte sich nur Vorwürfe darüber, daß er nicht vier Gendarmen da hatte, um dieses ganze Lumpenpack hinwegzufegen.
    »Ja, das ist mein Fehler; ich verdiene, was mir geschieht. Kerlen eures Schlages gegenüber gibt es nur eines: die Gewalt. Die Regierung bildet sich ein, euch durch Zugeständnisse zu gewinnen. Ihr werdet sie aber einfach zu Boden werfen, wenn sie euch Waffen geliefert hat.«
    Etienne bebte vor Wut, hielt aber noch an sich.
    »Herr,« sagte er mit gedämpfter Stimme, »ich bitte Sie, den Befehl zu geben, daß Ihre Arbeiter heraufgeholt werden; ich kann sonst für meine Kameraden nicht einstehen. Sie können dadurch einem Unglück vorbeugen.«
    »Nein, lassen Sie mich in Frieden! Ich kenne Sie gar nicht! Sie gehören nicht zu meiner Grube, Sie haben mit mir nicht zu unterhandeln ... Nur Räuber durchstreifen so das Land, um Häuser zu plündern.«
    Lautes Geschrei übertönte jetzt seine Stimme; besonders die Weiber beschimpften ihn. Er aber fuhr fort, ihnen Trotz zu bieten, und fühlte eine Erleichterung in dem Freimut, womit er sein gebieterisches Herz ausschüttete. Da das Verderben sicher war, fand er es feige, sich auf nutzlose Plattheiten zu verlegen. Doch ihre Zahl nahm immer noch zu; nahezu fünfhundert Leute drängten jetzt zur Türe, und er war in Gefahr niedergetreten zu werden, als sein Oberaufseher ihn heftig zurückriß.
    »Um des Himmels willen, Herr!... Das gibt ein Blutvergießen. Wozu ist es gut, Menschen für nichts und wieder nichts töten zu lassen?«
    Er wehrte sich noch; er protestierte mit einem letzten Schrei, den er der Menge zuschleuderte.
    »Banditen, ihr werdet sehen, wenn wir erst wieder die Stärkeren sind!«
    Man führte ihn hinweg; ein Ansturm hatte die ersten der Schar auf die Treppe gedrängt, deren Geländer verbogen wurde. Die Weiber drängten am meisten, schrien und trieben die Männer an. Die Tür gab sogleich nach; es war eine Tür ohne Schloß, bloß durch einen Schieber geschlossen. Doch die Treppe war zu schmal; die Menge stand eng zusammengedrängt auf ihr, und es hätte lange gewährt, bis sie eingedrungen wäre, wenn die Nachhut der Belagerer nicht auf den Einfall gekommen wäre, durch die anderen Öffnungen einzudringen. Da ergossen sie sich von allen Seiten, von der Baracke, vom Sichtungsschuppen, vom Heizhause her. In weniger als fünf Minuten gehörte ihnen die ganze Grube; sie überfluteten die drei Stockwerke unter wütenden Gebärden und Schreien, fortgerissen von dem Taumel ihres Sieges über diesen Besitzer, der sich ihnen widersetzt hatte.
    Maheu, der als einer der ersten vorgedrungen war, sagte entsetzt zu Etienne:
    »Sie sollen ihn nicht töten!«
    Dieser lief schon herbei; als er begriffen, daß Deneulin sich in der Aufseherstube verrammelt hatte, antwortete er:
    »Was denn? Wäre es unsere Schuld? So ein Tollkopf!«
    Indes war auch er von Besorgnis erfüllt, noch zu ruhig, um dieser Zornesaufwallung nachzugeben. Er litt auch in seinem Stolze als Anführer, sobald er sah, wie die Bande sich seiner Autorität entzog und außer Rand und Band geriet weit über das Maß der kühlen Vollstreckung des Volkswillens hinaus, wie er sie sich gedacht hatte. Vergebens forderte er Kaltblütigkeit; vergebens schrie er, man dürfe nicht durch Handlungen unnützer Zerstörung den Feinden recht geben.
    »Zu den Heizkesseln!« heulte die Brulé. »Laßt uns die Feuer auslöschen!«
    Levaque, der eine Feile gefunden hatte, schwang diese wie einen Dolch und übertönte den Tumult mit einem furchtbaren Schrei:
    »Wir durchschneiden die Kabel! Wir durchschneiden die Kabel!«
    Bald wiederholten alle diesen Ruf; bloß Etienne und Maheu fuhren fort zu widersprechen; sie verloren den Kopf und schrien in den Tumult hinein, ohne sich Gehör zu verschaffen. Endlich konnte der erstere sich vemehmlich machen:
    »Aber es sind Leute in der Grube, Kameraden!«
    Der Lärm verstärkte sich noch;

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