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Germinal

Germinal

Titel: Germinal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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Gendarmen waren eine Stunde früher da gewesen und waren, durch Bauern irregeführt, in der Richtung nach Sankt-Thomas weitergezogen, ohne in der Eile die Vorsicht zu üben, zur Bewachung der Grube einen Posten von einigen Mann zurückzulassen. In weniger als einer Viertelstunde waren die Feuer umgestürzt, die Kessel geleert, die Gebäude verwüstet. Doch besonders auf die Pumpe hatte man es abgesehen. Es genügte nicht mehr, daß sie mit dem letzten Atemzuge des Dampfes stehen blieb; man stürzte sich auf sie wie auf eine lebende Person, die man töten wollte.
    »Du hast den ersten Streich zu führen«, wiederholte Etienne, indem er Chaval einen Hammer in die Hand drückte. »Vorwärts! Du hast geschworen wie die anderen.«
    Chaval wich zitternd zurück; in dem Gedränge fiel der Hammer nieder, während die Kameraden -- ohne länger zu warten -- die Pumpe mit Eisenstangen, mit Ziegeln bearbeiteten, mit allem, was ihnen in die Hände fiel. Einige zerbrachen sogar ihre Stöcke an der Maschine. Die Schraubenmuttern sprangen ab, die stählernen und kupfernen Bestandteile kamen aus den Fugen wie ausgerissene menschliche Glieder. Ein mit einer Spitzhacke geführter wuchtiger Hieb zertrümmerte den gußeisernen Körper der Maschine, und das Wasser floß heraus mit einem Gurgeln, das dem letzten Röcheln eines Sterbenden glich.
    Dies war das Ende; die Bande war jetzt wieder draußen, toll hinter Etienne sich drängend, der Chaval noch immer nicht loslassen wollte.
    »Tod dem Verräter! In den Schacht mit ihm!«
    Der Erbärmliche war leichenfahl und stammelte -- mit dem blöden Eigensinn einer fixen Idee -- immer wieder sein Verlangen, sich zu waschen.
    »Wart«, da ist der Zuber, wenn du nichts anderes willst«, sagte die Levaque.
    Es war eine Lache da, ein Abfluß des Pumpwassers. Eine dicke, weiße Eiskruste.lag darüber. Man drängte ihn dahin, zerbrach die Eisdecke und zwang ihn, seinen Kopf in das eiskalte Wasser zu stecken.
    »Tauche doch unter!« wiederholte die Brulé. »Zum Teufel, tauche doch unter, wenn du kein Vollbad nehmen willst! ... Und jetzt sauf' einmal; ja, ja, sauf' wie das Vieh, mit dem Maul in der Tränke!«
    Er mußte saufen, auf allen Vieren liegend. Darob erhob sich ein grausames Lachen in der Menge. Ein Weib zog ihn bei den Ohren, ein anderes warf ihm eine Handvoll Dreck ins Gesicht, den sie ganz frisch von der Straße aufgelesen hatte. Seine alte Trikotjacke hing jetzt in Fetzen von seinem Leibe. Stieren Auges stolperte er dahin und versuchte von Zeit zu Zeit zu entfliehen.
    Maheu hatte ihn gestoßen; auch Frau Maheu gehörte zu jenen, die wütend über ihn hergefallen waren; sie befriedigten so ihren alten Groll gegen diesen Menschen; selbst die Mouquette, die sonst die gute Freundin ihrer ehemaligen Liebhaber blieb, war wütend auf ihn, nannte ihn einen Taugenichts, sprach davon, ihm die Hosen auszuziehen, um zu sehen, ob er noch ein Mann sei.
    Etienne hieß sie schweigen.
    »Genug! Es ist nicht nötig, daß sich alle einmengen ... Wenn du willst, machen wir die Sache miteinander ab.« Seine Fäuste schlossen sich; seine Augen leuchteten in einem mörderischen Feuer; der Rausch verwandelte sich bei ihm in Mordlust.
    »Bist du bereit? Einer von uns beiden muß auf dem Platze bleiben ... Gebt ihm ein Messer; ich habe das meine.«
    Katharina schaute ihn an; sie war erschöpft, entsetzt.
    Sie erinnerte sich seiner Vertraulichkeiten, seiner Mordgier, wenn er getrunken hatte; nach dem dritten Glase war er vergiftet; es war die traurige, scheußliche Erbschaft seiner trunksüchtigen Eltern. Plötzlich stürzte sie sich auf ihn und ohrfeigte ihn mit beiden Händen, wobei sie mit vor Entrüstung heiserer Stimme schrie:
    »Feigling! Feigling! Feigling!... War's noch nicht genug der Scheußlichkeiten? Willst du ihn, der sich kaum mehr auf den Beinen hält, auch noch töten?«
    Sie wandte sich an ihre Eltern und an alle anderen.
    »Ihr seid Feiglinge! Feiglinge! ... Tötet doch mich mit ihm zugleich! Ich springe euch ins Gesicht, wenn ihr ihn noch anrühret! Ha, die Feiglinge!«
    Sie hatte sich vor ihren Mann hingepflanzt und verteidigte ihn, der Schläge vergessend, ihres Jammerlebens vergessend, gehoben in dem Gedanken, daß sie ihm gehörte, da er sie in seinen Besitz genommen hatte, und daß es eine Schande für sie sei, wenn er so gedemütigt wurde.
    Etienne war unter den Streichen dieses Mädchens bleich geworden. In der ersten Aufwallung wollte er sie niederstrecken. Nachdem er sich das Gesicht

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