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Germinal

Germinal

Titel: Germinal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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dieser Grube herrschte gute Manneszucht; sie war vom Streik unberührt; mehr als siebenhundert Mann mußten angefahren sein. Darüber war die Bande erbittert; man war entschlossen, die Leute mit Knüttelhieben zu empfangen in guter Schlachtordnung, um zu sehen, wer obenauf bleiben würde. Allein es ging das Gerücht, daß in Sankt-Thomas Gendarmen seien, -- die Gendarmen, über die man sich am Morgen lustig gemacht hatte. Woher wußte man es? Niemand vermochte es zu sagen. Gleichviel, sie bekamen Angst und entschieden sich für Feutry-Cantel. Der Taumel riß sie wieder fort: mit dem lauten Geklapper ihrer Holzschuhe stürmten sie in hellen Haufen auf der Landstraße dahin. Nach Feutry-Cantel! nach Feutry-Cantel! Dort gab es wohl an die vierhundert Feiglinge: Das wird einen Spaß absetzen! Von hier etwa drei Kilometer entfernt lag die Grube hinter einer Erdfalte verborgen nahe beim Scarpeflusse. Schon stieg man die Anhöhe der Gipsbrüche jenseits der Straße nach Beaugnies hinan, als eine Stimme -- man wußte nicht, wessen Stimme -- ausrief, die Gendarmen seien vielleicht in Feutry-Cantel. Von einem Ende der Säule bis zum anderen wiederholte man sich, die Gendarmen seien in Feutry-Cantel. Ein Zögern verlangsamte den Marsch; der Schreck ergriff die Leute allmählich in dieser durch die Arbeitsfeier still gewordenen Gegend, die sie seit Stunden durchstreiften. Warum waren sie nicht auf Militär gestoßen? Die Straflosigkeit ihres Treibens verwirrte sie, denn sie fühlten die Vergeltung kommen.
    Eine neue Losung -- man wußte nicht, woher sie kam -- trieb die Bande plötzlich nach einer andern Grube.
    »Nach der Siegesgrube! Nach der Siegesgrube!«
    Gab es denn keine Dragoner und Gendarmen auf der Siegesgrube? Man wußte es nicht. Alle schienen beruhigt. Sie machten kehrt, stiegen nach Beaumont hinab und gingen querfeldein, um die Straße nach Joiselle rascher zu erreichen. Das Geleise der Eisenbahn verlegte ihnen den Weg; sie zogen hinüber, nachdem sie die Schranken umgeworfen hatten. Sie näherten sich jetzt Montsou; das leicht gewellte Land senkte sich hinab und breitete das Meer seiner Rübenfelder aus weithin bis zu den schwarzen Häusern von Marchiennes.
    Es galt jetzt einen Marsch von gut fünf Kilometern. Sie wurden von einer solchen Wut fortgetrieben, daß sie die tödliche Müdigkeit, ihre völlig erschöpften, wie gebrochenen Beine nicht fühlten. Der Zug wurde immer länger, verstärkt durch die Kameraden, die man unterwegs in allen Arbeiterdörfern an sich zog. Als sie auf der Magachebrücke den Kanal überschritten hatten und vor der Siegesgrube erschienen, zählten sie wohl zweitausend Köpfe. Aber drei Uhr war vorüber, die Leute waren ausgefahren, kein Mann war mehr in der Grube. Ihre Enttäuschung machte sich in leeren Drohungen Luft; sie mußten sich begnügen, die eben ankommenden Erdarbeiter mit Ziegelsteinen zu bewerfen. In regellose Rotten sich auflösend, ergriff die Bande Besitz von dem Werke. In ihrer Wut darüber, daß es keine Gesichter zu ohrfeigen gab, fielen sie über die Sachen her. Ein Sack voll giftiger Rachsucht platzte in ihnen. Der Jahre hindurch erduldete Hunger hatte eine tolle Gier nach Zerstörung in ihnen gereift.
    Etienne bemerkte hinter einem Schuppen einige Arbeiter, die einen Kohlenkarren beladen wollten.
    »Wollt ihr euch von hinnen trollen!« rief er ihnen zu. »Nicht ein Stück Kohle kommt hinaus!«
    Auf seinen Befehl eilten etwa hundert Ausständige herbei; die Arbeiter hatten knapp Zelt, sich zu entfernen. Einige Männer spannten die Pferde aus, die -- in die Flanken gestochen -- scheu davonrannten. Andere stürzten den Karren um und zerbrachen die Gabeldeichsel.
    Levaque fiel mit seiner Hacke über die Gestelle her, um die Brückenstege zu vernichten. Doch sie widerstanden seiner Zerstörungswut, und so kam er auf den Gedanken, die Schienen aufzureißen, das Geleise von dem einen Ende des Werkhofes bis zum andern zu zerstören. Bald warf sich die ganze Bande auf diese Arbeit. Mit seiner Eisenstange bewaffnet, deren er sich wie eines Hebels bediente, riß Maheu die gußeisernen Schienenstühle los. Inzwischen führte die Brulé die Weiber in die Lampenkammer; mit ihren Stöcken richteten sie eine greuliche Verwüstung an; bald lagen sämtliche Lampen in Scherben am Boden. Auch die Maheu hatte alle Besonnenheit verloren und schlug ebenso wütend drein wie die Levaque. Sie wateten ordentlich im Öl; die Mouquette wischte ihre Hände in ihren Röcken ab und lachte, weil

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