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Germinal

Germinal

Titel: Germinal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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dem Bunde triumphierten und die Evolutionisten, die ursprünglich die Führung hatten, verdrängten, wackelte der ganze Bau; das ursprüngliche Ziel: die Reform des Lohnwesens, ging in dem Zwist der Parteien unter; die so künstlich und scharfsinnig errichteten Rahmen lösten sich im Hasse gegen die Disziplin. Man konnte schon jetzt das klägliche Ende dieser Massenerhebungen voraussehen, die einen Augenblick gedroht hatte, mit einem Hauch die alte, verrottete Gesellschaft hinwegzublasen.
    »Pluchart ist ganz krank davon«, fuhr Rasseneur fort. »Zudem hat er keine Stimme mehr, und dennoch spricht er; ja, er will sogar in Paris sprechen. Er hat mir dreimal wiederholt, daß unser Streik gescheitert ist.«
    Etienne schaute zu Boden und ließ ihn ausreden, ohne ihn zu unterbrechen. Er hatte am vorhergehenden Tage mit Kameraden gesprochen und den Hauch des Grolls und des Verdachtes verspürt, die ersten Anzeichen der Volksungunst, welchte die Niederlage ankündigten. Er verharrte in düsterem Schweigen; er wollte seine Niedergeschlagenheit nicht eingestehen angesichts eines Mannes, der ihm vorausgesagt, daß auch ihn die Menge an dem Tage verhöhne, an dem sie für eine Enttäuschung Rache zu nehmen habe.
    »Gewiß, der Streik ist gescheitert«, sagte er. »Ich weiß es so gut wie Pluchart. Aber das war vorauszusehen. Wir haben mit Widerwillen diesen Streik aufgenommen; wir haben nicht darauf gezählt, mit der Gesellschaft fertig zu werden ... Allein man betäubt sich, man hofft auf allerlei Dinge, und wenn dann die Geschichte schlecht ausgeht, vergißt man, daß man darauf gefaßt sein mußte; man jammert und hadert wie vor einer urplötzlichen Katastrophe.«
    »Wenn du die Partie für verloren hältst, warum bringst du die Kameraden nicht zur Vernunft?« fragte Rasseneur.
    Der junge Mann schaute ihn scharf an.
    »Lassen wir das; es ist genug... Du hast deine Gedanken, ich habe die meinen. Ich bin bei dir eingetreten, um dir zu zeigen, daß ich dich dennoch achte. Aber ich glaube immerhin, daß, wenn wir in unserem Elend untergehen, unsere verhungerten Gerippe der Sache des Volkes mehr nützen als alle weise Politik... Ach, wenn einer dieser Saukerle von Soldaten mir eine Kugel mitten ins Herz schösse, wie schön wäre es, so zu enden!«
    Seine Augen feuchteten sich in diesem Aufschrei, in dem der geheime Wunsch des Überwundenen sich aussprach, die Zuflucht, wo er für immer sein Leid hätte begraben wollen.
    »Gut gesprochen!« erklärte Frau Rasseneur mit einem Blick auf ihren Mann, in dem sich die volle Verachtung ihrer radikalen Ansichten gegen ihn entlud.
    Suwarin blickte noch traumverloren in die Ferne, tastete mit seinen nervösen Händen herum und schien nichts gehört zu haben. Sein blondes, mädchenhaftes Gesicht mit der dünnen Nase und den spitzigen Zähnchen nahm einen wilden Ausdruck an in einer mystischen Träumerei, in der blutige Bilder vorüberzogen. Er hatte laut zu träumen begonnen und antwortete auf ein Wort Rasseneurs über die Internationale, das er inmitten der Unterredung aufgefangen hatte.
    »Alle sind Feiglinge; nur einen Mann hat es gegeben, der aus ihrer Maschine das furchtbare Werkzeug der Zerstörung hätte machen können. Aber man müßte wollen; niemand will, und darum scheitert die Revolution wieder einmal.«
    Er fuhr fort, mit angewiderter Stimme über die Schwachsinnigkeit der Menschen zu klagen, während die anderen verwirrt dasaßen bei diesen im Dunkel gemachten Geständnissen eines Mondsüchtigen. In Rußland wollten die Dinge nicht vorwärts gehen; er war verzweifelt über die empfangenen Nachrichten. Seine ehemaligen Kameraden wurden sämtlich zu Politikern; die berüchtigten Nihilisten, vor denen ganz Europa zitterte, Popensöhne, Kleinbürger, Kaufleute: sie erhoben sich nicht über den Gedanken der nationalen Befreiung, schienen an die Erlösung der Welt zu glauben, wenn sie den Despoten getötet hätten; sobald er ihnen davon sprach, die alte Menschheit hinwegmähen zu wollen wie eine reife Frucht; sobald man nur das kindische Wort »Republik« aussprach, fühlte er sich unverstanden, beunruhigt, deklassiert, unter die schiffbrüchigen Führer des revolutionären Kosmopolitismus eingereiht. Indes wehrte sich sein Patriotenherz, und mit schmerzlicher Bitterkeit wiederholte er sein Lieblingswort:
    »Lauter Dummheiten!... Niemals werden sie mit ihren Dummheiten vom Fleck kommen!«
    Dann dämpfte er noch mehr die Stimme und erzählte in bitteren Worten seinen ehemaligen

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