Germinal
während ihre roten Gesichter anschwollen wie von der Gewalt eines inneren Feuerherdes, dessen Flammen man durch die klaren Höhlen ihrer Augen sah.
»Getroffen!« heulte Chaval. »Das sitzt auf deinem Gerippe!«
In der Tat hatte seine Faust, gleich einer schief niederfahrenden Geißel, die Schulter seines Gegners getroffen. Dieser unterdrückte ein schmerzliches Grunzen; man hörte nur ein weiches Geräusch, den dumpfen Schlag auf die Muskeln. Etienne erwiderte ihn mit einem geradeaus, mitten auf die Brust geführten Stoße, der den andern niedergestreckt hätte, wenn er mit seinen fortwährenden Bocksprüngen sich nicht gerettet hätte. Indes traf ihn der Streich in der linken Seite noch mit solcher Wucht, daß er wankte und ihm der Atem ausblieb. Er ward von seiner Wut übermannt, weil er seine Arme schlaff werden fühlte, und zielte mit dem Stiefelabsatze nach dem Bauche seines Gegners.
»Nimm das für deine Eingeweide!« röchelte er. »Sie sollen mal raus ins Freie!«
Etienne wich dem Stoße aus, dermaßen entrüstet über diese Verletzung der Regeln, daß er sein Stillschweigen brach.
»Schweig, Vieh!« sagte er. »Und die Füße weg, sonst nehme ich einen Stuhl, um dich totzuschlagen!«
Jetzt nahm der Kampf eine ernstere Wendung. Rasseneur war empört und hätte sich abermals ins Mittel gelegt, hätte der strenge Blick seiner Frau ihn nicht zurückgehalten. Haben denn zwei Trinkgäste nicht das Recht, ihre Sache im Wirtshause auszutragen? Er begnügte sich denn, sich vor den Kamin hinzustellen, weil er fürchtete, daß sie ins Feuer stürzen könnten. Suwarin hatte sich mit seiner ruhigen Miene eine Zigarette gedreht, die er indes anzubrennen vergaß. Katharina stand noch immer unbeweglich an die Mauer gelehnt; nur ihre Hände hatte sie unbewußt an ihrem Körper emporgehoben; und hier krümmten sie sich und rissen in regelmäßigen Zuckungen an dem Stoff ihres Kleides. Sie gab sich alle Mühe, nicht zu schreien, nicht einen der beiden dadurch zu töten, daß sie einen Ruf der Bevorzugung ausstieß; im übrigen war sie dermaßen außer sich, daß sie nicht mehr wußte, wen sie vorziehen solle.
Chaval war bald erschöpft; in Schweiß gebadet schlug er auf gut Glück drein. Obgleich schon in Zorn geraten, fuhr Etienne fort, sich zu decken, parierte fast alle Hiebe, deren einige ihn streiften. So ward ihm ein Ohr gespalten, ein Stück Haut vom Halse weggerissen; letzteres verursachte ihm einen so brennenden Schmerz, daß er einen Fluch ausstieß und einen seiner geraden Stöße führte. Chaval sprang wieder beiseite und schützte so seine Brust; aber er hatte sich gebückt, und die Faust traf ihn im Gesicht, zerschlug ihm die Nase und ein Auge. Ein Blutstrahl schoß aus der Nase hervor, das Auge schwoll an und ward blau. Geblendet durch den roten Strom, betäubt durch die Erschütterung seines Schädels, fuchtelte der Erbärmliche mit den Armen blindlings in der Luft herum, als ein zweiter Streich ihn mitten in der Brust traf und ihm den Rest gab. Es folgte ein Krachen, und er sank rücklings nieder schwer wie ein Sack Gips, der niedergeworfen wird.
Etienne wartete.
»Erhebe dich,« sagte er; »wenn du noch willst, können wir von neuem anfangen.«
Chaval antwortete nicht; er war eine Weile ganz betäubt, dann begann er sich am Boden zu regen und die Glieder zu recken. Mühselig raffte er sich auf, blieb einen Augenblick auf den Knien wie eine Kugel und kramte in seiner Tasche herum. Als er sich erhoben hatte, stürzte er sich mit wildem Geheul abermals auf seinen Gegner.
Doch Katharina hatte gesehen, und unwillkürlich entfuhr ihr ein lauter Schrei; sie selbst war darüber erstaunt wie über das Geständnis einer Bevorzugung, die ihr unbekannt gewesen.
»Gib acht! Er hat sein Messer!«
Etienne hatte knapp Zeit, den ersten Stoß mit seinem Arm aufzufangen. Der Wollstoff seiner Jacke ward von der dicken Klinge durchschnitten, von einer jener Klingen, die durch einen kupfernen Ring in einem Heft von Buchsholz befestigt sind. Schon hatte er Chaval am Handknöchel gepackt, und es entspann sich ein furchtbarer Kampf, denn er wußte, daß er verloren sei, wenn er locker ließ; der andere suchte mit unablässigen Ruck seine Hand frei zu machen, um zuzustoßen. Die Waffe senkte sich nach und nach; die steifen Glieder ermatteten; zweimal schon hatte Etienne den kalten Stahl an seiner Haut gefühlt und mußte eine äußerste Anstrengung machen; er preßte den Handknöchel mit solcher Gewalt, daß das Messer
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