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Germinal

Germinal

Titel: Germinal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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wortlos ein; ihr Bier war für jedermann da. Stille war eingetreten; weder der Schankwirt noch die beiden anderen hatten sich von ihrem Platze gerührt.
    »Ich kenne Leute, die gesagt haben, daß ich ein Spion wäre,« hub Chaval in anmaßendem Tone wieder an; »und ich erwarte, daß sie es mir ins Gesicht sagen, damit man sich endlich auseinandersetzt.«
    Niemand antwortete; die Männer wandten den Kopf weg und schauten die Wände an.
    »Es gibt Tagediebe, und es gibt Leute, die es nicht sind«, fuhr er mit lauter Stimme fort. »Ich habe nichts zu verheimlichen; ich habe Deneulins schmutzige Baracke verlassen und fahre morgen im Voreuxschachte mit zwölf Belgiern an, deren Führung man mir anvertraut hat, weil man mich achtet. Wenn dies jemandem nicht recht ist, soll er es sagen; wir werden darüber reden.«
    Als seine Herausforderungen mit demselben verächtlichen Schweigen aufgenommen wurden, erboste er sich gegen Katharina.
    »Wirst du trinken, Himmelsakrament! Stoßen wir an auf das Krepieren aller Saukerle, die nicht arbeiten wollen!«
    Sie stieß an, aber ihre Hand zitterte dabei dermaßen, daß man das leise Klirren der beiden Gläser hörte. Chaval hatte jetzt eine Handvoll Silbermünzen aus der Tasche geholt, die er mit der Aufdringlichkeit eines Berauschten auf dem Tische ausbreitete, wobei er stammelte, man verdiene das Geld im Schweiße seines Angesichtes, und die Müßiggänger könnten nicht zehn Sous aufweisen. Die Haltung der Kameraden erbitterte ihn, und er ging schließlich zu direkten Beleidigungen über.
    »Des Nachts also kriechen die Maulwürfe hervor? Die Gendarmen scheinen zu schlafen, da man den Räubern begegnet!«
    Etienne hatte sich entschlossen, aber sehr ruhig erhoben.
    »Hör' einmal, du langweilst mich«, sagte er... »Ja, du bist ein Spion; dein Geld stinkt wieder nach irgendeinem Verrat, und es ekelt mich, deine Verräterhaut zu berühren. Gleichviel, ich bin dein Mann; es ist lange genug her, daß einer von uns beiden den andern hätte auffressen sollen.«
    Chaval ballte die Fäuste.
    »Man muß dir vieles sagen, um dich zu erwärmen, verdammter Feigling«, brummte er... »Mit dir allein will ich es aufnehmen; du sollst mir alle Schweinereien entgelten, ie man mir zugefügt hat.«
    Katharina trat mit bittenden Händen zwischen sie; aber sie brauchten sie nicht erst zurückzudrängen, sie wich selbst langsam zurück, weil sie die Notwendigkeit des Kampfes fühlte. In stummem Entsetzen stand sie regungslos an der Mauer, dermaßen gelähmt, daß sie nicht einmal zitterte; die weit offenen Augen auf die beiden Männer gerichtet, die im Begriffe waren, sich ihrethalben zu töten.
    Frau Rasseneur begnügte sich, die Schoppen von dem Schanktische wegzunehmen aus Furcht, daß sie zerbrochen werden könnten. Dann setzte sie sich wieder auf ihre Bänkchen, ohne eine ungeziemende Neugierde zu zeigen. Rasseneur hingegen meinte, man könne nicht zugeben, daß zwei alte Kameraden sich in solcher Weise gegenseitig erdrosselten, und wollte sich durchaus ins Mittel legen; Suwarin mußte ihn bei einer Schulter fassen und zum Tische zurückführen, wobei er sagte:
    »Das geht dich nichts an... Einer ist zuviel; der Stärkere muß am Leben bleiben.«
    Ohne den Angriff abzuwarten, hatte Chaval seine geballten Fäuste in die Luft gestreckt. Er war der Größere, schlotterig, nach dem Gesichte mit beiden Armen zielend, die er wütend auf und nieder fahren ließ, als handhabe er zwei Säbel. Dabei redete er immerfort, spreizte sich vor den Zuschauern und ließ ganze Breitseiten von Beschimpfungen los, die ihn noch mehr aufregten.
    »Ha, verdammter Kerl, ich will deine Nase haben! Deine Nase will ich mir irgendwohin stecken!... Gib deine Fratze her, Hurenspiegel, daß ich einen Brei für die Schweine daraus mache! Wir werden dann sehen, ob die Dirnen dir noch nachrennen!«
    Stumm, mit zusammengepreßten Zähnen stemmte Etienne seine kleine Gestalt fest auf, kämpfte regelrecht, Brust und Gesicht mit beiden Fäusten deckend; so spähte er nach den Blößen des Gegners, die Arme mit der Strammheit von Sprungfedern ausstreckend und dem Gegner furchtbare Stöße versetzend.
    Anfänglich fügten sie einander wenig Schaden zu. Die geräuschvollen Mühlräder des einen, die kühle, zuwartende Haltung des andern verlängerten den Kampf. Ein Stuhl ward umgeworfen; ihre plumpen Schuhe zerstampften den weißen Sand, mit dem der Fußboden bestreut war. Aber allmählich kamen sie außer Atem; man hörte sie röcheln,

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