Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Germinal

Germinal

Titel: Germinal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
Vom Netzwerk:
mitten in die Stube getreten, schaute ihm ins Gesicht und rief in einer letzten Aufwallung irrer Wut:
    »Und was ist's mit dir? Redest du auch davon, zur Grube zurückzukehren, nachdem du uns alle ins Unglück gebracht hast?... Ich will dir keinen Vorwurf machen, aber an deiner Stelle wäre ich schon tot vor Kummer darüber, soviel Elend über die Kameraden gebracht zu haben.
    Er wollte antworten; doch begnügte er sich, mit verzweifelter Miene die Achseln zu zucken. Wozu sollte er ihr Erklärungen geben, die sie in ihrem Schmerze nicht verstehen würde? Weil ihn das Leid zu sehr bedrückte, ging er wieder fort und nahm seine ziellose Wanderung wieder auf.
    Das Dorf schien noch immer ihn zu erwarten, die Männer auf den Türschwellen, die Weiber an den Fenstern. Sobald er erschien, ging ein Gemurmel durch die Menge, die immer mehr anwuchs. Das Gerede der Klatschblasen schwoll seit vier Tagen an und brach jetzt in einer allgemeinen Verwünschung los. Fäuste wurden nach ihm ausgestreckt; Mütter zeigten ihn ihren Söhnen mit wütender Gebärde; die Alten spien aus, wenn sie ihn erblickten. Es war der Umschwung nach der Niederlage, die verhängnisvolle Kehrseite der Volkstümlichkeit; ein Abscheu, verschärft durch alle Leiden, die man nutzlos zu ertragen hatte. Er sollte den Hunger und den Tod entgelten.
    Zacharias, der eben mit Philomene ankam, stieß Etienne an, als dieser aus dem Hause heraustrat. Er grinste höhnisch und rief in boshaftem Tone:
    »Schau, wie fett er wird! Die Haut der anderen scheint ihn zu mästen!«
    Schon erschien die Levaque, von Bouteloup begleitet, auf der Schwelle ihrer Haustür. Sie sprach von Bebert, ihrem Knaben, den eine Kugel niedergestreckt hatte.
    »Ja, es gibt Feiglinge, welche die Kinder niedermetzeln lassen!« schrie sie. »Mag er das meine aus der Erde holen, wenn er es mir wiedergeben will!«
    Sie hatte ihren Mann vergessen, der eingesperrt war; im Haushalte trat keine Stockung ein, denn Bouteloup war da. Doch jetzt erinnerte sie sich und fuhr mit schriller Stimme fort:
    »Die Schurken sieht man lustwandeln, während die rechtschaffenen Leute im Kühlen sitzen.«
    Als Etienne ihr ausweichen wollte, begegnete er Frau Pierron, welche durch die Gärten herbeieilte. Diese hatte den Tod Ihrer Mutter wie eine Erlösung begrüßt, denn die Heftigkeit der Alten hatte dem Ehepaar viel Verdruß verursacht; sie weinte auch nicht um die Tochter ihres Mannes, die Gassendirne Lydia; sie war vielmehr ordentlich froh, diese los zu sein. All dies hinderte sie aber nicht, es jetzt mit den Nachbarinnen zu halten; es war eine Gelegenheit, sich auszusöhnen.
    »Und meine Mutter? Sprich! Und das Kind! Man hat dich gesehen, wie du dich hinter ihnen verstecktest, als sie statt deiner die Kugeln empfingen!«
    Was sollte er tun? Die Pierron und die anderen erdrosseln, es mit dem ganzen Dorfe aufnehmen? Einer? Augenblick hatte er Lust dazu. Das Blut stieg ihm zu Kopfe; er behandele seine Kameraden als Tiere. Es verdroß ihn, sie dermaßen dumm zu sehen, daß sie wegen der Tatsachen sich an ihn hielten. War es nicht blöd? Ein Abscheu ergriff ihn, als er sich ohnmächtig sah, sie von neuem zu bändigen, und er begnügte sich, die Schritte zu beschleunigen, als sei er taub gegen alle Verwünschungen. Doch sein Gang ward bald zur Flucht; aus jedem Hause flogen ihm Beschimpfungen zu, man war wütend hinter ihm her; ein ganzes Volk verfluchte ihn mit immer mächtiger anschwellender Stimme in seinem überströmenden Hasse. Er war der Ausbeuter, der Mörder, die einzige Ursache alles Unglücks. Bleich und seiner Sinne nicht mehr mächtig rannte er aus dem Dorfe, die heulende Bande hinter ihm her. Auf der Straße ließen viele von ihm ab, einige jedoch waren hartnäckig und hielten aus; da, vor der Schenke »zum wohlfeilen Trunk« stieß er auf eine andere Gruppe, die aus dem Voreuxschachte kam.
    Der alte Mouque und Chaval waren da. Seit dem Tode seiner Tochter Mouquette und seines Sohnes Mouquet hatte der Alte seinen Stallwärterdienst fortgesetzt, ohne ein Wort des Bedauerns oder der Klage hören zu lassen. Doch als er Etienne bemerkte, ward er von einem Wutanfall geschüttelt, die Tränen stürzten aus seinen Augen und eine Flut von gröblichen Schimpfreden aus seinem schwarzen, blutigen Mund.
    »Schwein! Saukerl! Halunke!... Wart! Du sollst mir meine armen Kinder entgelten! Du mußt ihnen nach!«
    Er hob einen Ziegel auf, zerbrach ihn und schleuderte die beiden Stücke nach Etienne.
    »Ja, ja, wir wollen ihn

Weitere Kostenlose Bücher