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Germinal

Germinal

Titel: Germinal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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Dieser Besuch machte nachgerade Aufsehen im Dorfe. Der einsame Mann in seinem Garten unterbrach sich in seiner Arbeit; zwei Hühner liefen erschreckt auseinander.
    Als die Maheu heimkehrte, stieß sie auf die Levaque, die auf die Straße gekommen war, um den gesellschaftlichen Arzt Dr. Vanderhaghen abzufassen, einen kleinen, allzeit sehr geschäftigen Mann, der durch die Straßen rennend seine ärztlichen Ratschläge erteilte.
    »Herr Doktor,« sagte sie, »ich kann nicht schlafen; mir tut alles weh .... Wir sollten doch mal darüber reden.«
    Der Arzt, der alle Bewohner des Dorfes duzte, antwortete ihr, ohne stehen zu bleiben:
    »Laß mich in Frieden! Du säufst zuviel Kaffee.«
    »Und mein Mann erst, Herr Doktor!« sagte jetzt die Maheu. »Sie sollten ihn einmal besuchen. Er hat noch immer seine Schmerzen in den Beinen.«
    »Du machst ihn so schwach, laß mich in Frieden!«
    Die zwei Weiber standen verblüfft da und schauten dem davoneilenden Arzte nach.
    »Komm herein«, sagte die Levaque, nachdem sie mit ihrer Nachbarin ein trostloses Achselzucken ausgetauscht hatte. »Du weißt wohl, daß es etwas Neues gibt ... Auch einen Schluck Kaffee trinkst du; er ist ganz frisch.«
    Die Maheu wehrte ab, aber sie konnte nicht widerstehen. Gut, einen Tropfen, um die Nachbarin nicht zu kränken. Und sie trat ein.
    Die Stube war greulich schmutzig, die Wände voll Fettflecken, Tisch und Eßschrank starrten von Unsauberkeit; und der Mißduft dieser vernachlässigten Haushaltung packte jeden Eintretenden bei der Gurgel. Neben dem Feuer saß Bouteloup, noch jung aussehend für seine fünfunddreißig Jahre, beide Ellbogen auf dem Tische, die Nase in seinem Teller, und verzehrte einen Rest Rindfleisch mit der Behäbigkeit eines wohlgenährten, ruhigen Jungen. Neben ihm stand der kleine Achilles, Philomenes Erstgeborener, der jetzt in sein drittes Jahr ging, und sah mit der stumm flehenden Miene eines gefräßigen Tieres dem Essenden zu. Der Mieter, dessen großer, brauner Bart ein feines, weißes Gesicht einrahmte, schob von Zeit zu Zeit dem Kinde ein Stück Fleisch in den Mund.
    »Wart', ich werde den Kaffee erst zuckern«, sagte die Levaque, indem sie den Mehlzucker voraus in die Kaffeekanne tat.
    Sie war um sechs Jahre älter als er, abscheulich, welk, die Brust auf dem Bauche, der Bauch auf den Schenkeln, mit einem platten Gesicht und ergrauenden, stets ungekämmten Haaren. Er hatte sie genommen, ohne sie näher zu prüfen, geradeso wie seine Suppe, wo er Haare fand, oder sein Bett, dessen Wäsche nur alle drei Monate gewechselt wurde. Sie gehörte mit zur Pension; der Mann pflegte oft zu sagen: eine glatte Rechnung macht gute Freunde.
    »Ich wollte dir nur sagen,« fuhr sie fort, »daß man gestern abend die Frau Pierron im Dorf der ›Seidenstrümpfler‹ hat sich herumtreiben sehen. Der gewisse Herr erwartete sie hinter Rasseneurs Herberge; dann sind sie zusammen längs des Kanals fortgegangen ... Das ist hübsch von einer verheirateten Frau, wie?«
    »Mein Gott!« sagte die Maheu. »Pierron hat, ehe er sie heiratete, dem Aufseher Kaninchen geschenkt; jetzt leiht er ihm seine Frau, das ist wohlfeiler.«
    Bouteloup brach in ein riesiges Gelächter aus und warf ein Stück in Soße getunktes Brot Achilles in den Mund. Die zwei Frauen ließen sich dann noch weiter über Frau Pierron aus, über diese Kokette, die nicht schöner sei als eine andere, aber den ganzen Tag damit zubringe, die Löcher ihrer Haut zu mustern, sich zu waschen und mit Pomade zu bestreichen. Übrigens sei es Sache ihres Mannes, wenn ihm ein solches Brot schmecke. Es gebe ja so ehrgeizige Menschen, die ihren Vorgesetzten den Hintern reinigen möchten, um nur ein Dankeswort von ihnen zu hören. So ging es fort, bis sie durch die Ankunft einer Nachbarin unterbrochen wurden, die ein neunmonatiges Kind brachte, Desirée, Philomenens Jüngste. Philomene ließ sich zur Frühstücksstunde das Kind nach dem Sichtungswerke bringen und reichte ihm da, auf einem Kohlenhaufen sitzend, die Brust.
    »Die meinige darf ich nicht einen Augenblick allein lassen, sonst schreit sie gleich«, sagte die Maheu mit einem Blick auf Estella, die in ihren Armen eingeschlafen war.
    Doch es sollte ihr nicht gelingen, der Schlinge zu entgehen, die sie seit einer Weile der Levaque aus den Augen las.
    »Höre einmal: wir sollten doch ein Ende machen«, begann die Levaque.
    Die zwei Mütter waren anfänglich stillschweigend übereingekommen, die Heirat nicht zustandekommen zu lassen.

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