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Germinal

Germinal

Titel: Germinal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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gedrängt, daß die beiden Tische gleichsam nur einen ausmachten. Man bestellte Bier. Als Philomene ihre Mutter und ihre Kinder eintreffen sah, kam auch sie näher. Sie nahm einen Sessel und schien froh zu hören, daß man sie endlich verheirate. Als man Zacharias suchte, antwortete sie mit ihrer weichen Stimme:
    »Ich erwarte ihn; er ist nicht weit.«
    Maheu hatte mit seiner Frau einen Blick ausgetauscht. Wie, sie willigte ein? Er ward ernst und rauchte schweigsam seine Pfeife. Auch ihn erfaßte die Sorge wegen des morgenden Tages angesichts der Undankbarkeit der Kinder, die eines nach dem anderen heirateten und ihre Eltern in Elend zurückließen.
    Man tanzte noch immer; der Schluß einer Quadrille hüllte den Saal in einen rötlichen Staub; die Mauern krachten; eine Pickelflöte ließ schrille Pfiffe vernehmen wie eine notleidende Lokomotive; wenn die Tänzer stille standen, rauchten sie wie Pferde.
    »Erinnerst du dich,« sagte die Levaque und beugte sich zum Ohre der Maheu, »daß du davon sprachst, Katharina erwürgen zu wollen, wenn sie die ›Dummheit‹ begehen werde?«
    Chaval führte eben Katharina an den Familientisch zurück; hinter dem Vater stehend, tranken sie den Rest ihres Bieres.
    »Mein Gott, man sagt es nur so ...« entgegnete die Maheu kleinlaut. »Mich beruhigt, daß sie kein Kind bekommt; dessen bin ich sicher. Wenn die auch einen Balg kriegte und ich genötigt wäre, sie zu verheiraten: was sollten wir dann essen?«
    Die Pickelflöte pfiff jetzt einen Polka. Während der betäubende Lärm des Tanzes wieder anging, teilte Maheu seiner Frau mit leiser Stimme einen Gedanken mit: Warum sollten sie nicht einen Mieter nehmen, Etienne zum Beispiel, der eine Pension suchte? Sie würden Platz haben, weil Zacharias sie bald verlasse; das Geld, das sie in dieser Weise auf der einen Seite verlieren, würden sie auf der anderen Seite zum Teil wieder hereinbekommen. Das Gesicht der Maheu hellte sich auf: gewiß, es sei eine gute Idee, und man müsse die Sache abmachen, meinte sie. Wieder einmal schien sie vor dem Hunger gerettet; ihre gute Laune kehrte so rasch wieder, daß sie Bier für die Gesellschaft bestellte.
    Mittlerweile bemühte sich Etienne, Pierron zu gewinnen, dem er seinen Plan einer Unterstützungskasse auseinandersetzte. »Wir reden dann ganz anders mit der Gesellschaft; wir finden so die ersten Mittel des Widerstandes ... Bist du dabei?«
    Pierron hatte die Blicke gesenkt und war bleich geworden.
    »Ich will darüber nachdenken«, stammelte er. »Eine gute Aufführung ist die beste Unterstützungskasse.«
    Maheu bemächtigte sich jetzt Etiennes und machte ihm rundheraus als rechtschaffener Mann den Vorschlag, ihn als Mieter in sein Haus zu nehmen. Der junge Mann ging auf den Vorschlag sofort ein, denn er wünschte lebhaft, im Dorfe zu wohnen, mehr unter den Kameraden zu leben. Man schloß in wenigen Worten das Geschäft ab; die Maheu erklärte, man wolle nur die Heirat der Kinder abwarten.
    Endlich kam auch Zacharias mit Mouquet und Levaque. Alle drei brachten die Gerüche des »Vulkan« mit, einen Atem von Wachholderbranntwein, einen scharfen Moschusgeruch von unsauberen Dirnen. Sie waren sehr betrunken, schienen zufrieden mit sich selbst und stießen einander zum Spaß mit den Ellbogen. Als Zacharias erfuhr, daß man ihn endlich verheiraten wolle, lachte er so stark, daß es ihn schier erstickte. Philomene erklärte, sie sehe ihn lieber lachen als weinen. Da kein Sessel mehr frei war, überließ Bouteloup die Hälfte des seinen Levaque; dieser ließ plötzlich, gerührt durch den Anblick der versammelten Familie, noch einmal Bier auffahren.
    »Man vergnügt sich doch nicht alle Tage, was?!« schrie er.
    Sie blieben bis zehn Uhr da. Es kamen noch immer Weiber hinzu, um ihre Männer heimzuführen; den Weibern folgten Scharen von Kindern; und die Mütter taten sich keinen Zwang mehr an, holten ihre Brüste hervor -- Brüste so lang und blond wie Hafersäckchen -- und badeten ihre pausbäckigen Kleinen in Milch; die Kinder aber, mit Bier gefüllt, krochen unter den Tischen herum und entleerten sich da ohne Scham. Die Bierflut stieg immer höher; die Fässer der Witwe Désir wurden leer und die Bäuche voll; das Bier floß von überall, aus der Nase, aus den Augen und von anderwärts. Die Leute schwollen dermaßen an, wie sie in einem Haufen beisammen saßen, daß jeder mit einer Schulter oder einem Knie an den Nachbar stieß, und alle waren lustig und guter Dinge, weil sie sich so eng

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